European Homecare – Misshandlungen, Lohndumping, Union-Busting und fette Gewinne – eine Chronik

Die Landesaufnahmebehörde (LAB) in der Sedanstraße in Osnabrück hat seit dem 01.01.21 eine neue Leitung. Der private „Sozial“-dienstleister European Homecare (EHC) aus Essen übernimmt die Verwaltung der Landesaufnahmebehörde anstelle der Diakonie.
Im Zuge der unsäglichen Debatte der 1990er Jahre um die sog. „Asylschwemme“ eröffnete das Essener Unternehmen zahlreiche neue Geflüchtetenunterkünfte, v.a. in den östlichen Bundesländern. Die Produktpalette dieses profitorientierten Unternehmens beinhaltet die Verwaltung und das Management von Geflüchtetenunterkünften, soziale und psychosoziale Betreuung von eingereisten Personen, Betreuung von Menschen in der Abschiebehaftanstalt Büren und die Verpflegung und Sicherheitsdienstleistungen in den Unterkünften.
Mittlerweile ist dieses Unternehmen der größte Betreiber in Deutschland und verwaltet über 80 Geflüchteten- und Wohnungslosenunterkünfte im ganzen Bundesgebiet, sowie im europäischen Ausland. Die Firma wirbt bis heute mit dem Slogan: „Wirtschaftlichkeit und Soziales dürfen sich nicht ausschließen“.

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In den Fokus der Öffentlichkeit kam EHC das erste Mal im Jahr 2014. Wachmänner, die von EHC angestellt waren, sperrten in Burbach wiederholt mehrere Personen über Nacht in sog. „Problemzimmer“ und misshandelten sie dort. Einer der Wachmänner bspw. stieg Marwan R. mit dem Stiefel auf den Nacken und posierte grinsend für ein Foto mit ausgestrecktem Daumen. Zudem kam es kontiniuerlich zu Hieben, Tritten und Schlägen ins Gesicht.
Infolgedessen wurde gegen das Wachpersonal und den Chef von EHC, Sascha Korte, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Fall vor Gericht verhandelt. Die Oberstaatsanwaltschaft benötigte 1,5 Stunden, um die Anklageschrift zu verlesen.
Im Jahr 2016 kam es in Finnentrop offenbar zu weiteren Vorfällen. Dem von EHC angestellen Heimleiter wird vorgeworfen, eine Frau aus Syrien, die er in der Unterkunft kennengelernt habe, viermal vergewaltigt zu haben. Zudem gab er sich fälschlicherweise in der Unterkunft als „Dr. med.“ aus. Verurteilt werden konnte er nur wegen des Titelmissbrauchs.
Bereits bevor er in Finnentrop von EHC angestellt wurde, war der Mann 19 mal strafrechtlich auffällig geworden.

Der Pressesprecher von EHC bezeichnet das eigene Unternehmen als „Aldi unter den Anbietern“. Nur die Umsatzrendite sei noch höher als beim Discounter.
So machte die Firma 2016 einen Umsatz von 277 Millionen Euro und 32 Mio. Gewinn.
Insbesondere durch Verträge mit Kommunen, die in den Jahren 2014 und 2015 viele Geflüchtete aufgenommen hatten, hat das Unternehmen riesige Gewinne gemacht. In Essen bekam das Unternehmen beispielsweise über 1700 € monatlich für jeden aufgenommenen Menschen in den von ihnen betriebenen Unterbringungseinrichtungen. Diese bestanden jedoch monatelang aus einfachen Zelten. Im Jahr 2017 missachtete das Unternehmen den vertraglich mit der Bezirksregierung Düsseldorf festegehaltenen Personalschlüssel für eine Geflüchtetenunterkunft. Es wurde deutlich weniger Personal in sämtlichen Bereichen in der Unterkunft eingesetzt, als vorgeschrieben war. Kein Einzelfall: EHC soll die vertraglich vereinbarten Betreuungsstandards vielerorts systematisch ignorieren, es würden zu wenige Psycholog*innen, Sozialpädagog*innen und Erzieher*innen beschäftigt, hygienische Bedingungen sollen vielfach ebenso unzumutbar sein wie die Verpflegung. Das wenige Personal, das vorhanden ist, wird Berichten zufolge auch noch unter Druck gesetzt. Lohndumping, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und teilweise 12 Arbeitsstunden am Tag scheinen bei EHC keine Ausnahme zu sein. In einer Unterkunft in Neuss strebten Beschäftigte von EHC daher 2016 die Gründung eines Betriebsrates an. Aussagen der Beschäftigen zufolge, hatte die Leitung von EHC daraufhin versucht dies mit Einschüchterunsversuchen zu unterbinden.

Wir fordern ein Ende der Vereinnahmung von Betreuungs- und Sozialdiensten durch neoliberale Rationalisierungs- und Profitlogik. Lager sind Orte, an denen vulnerable Menschen unter entmündigenden Bedingungen und rassistischer Ausgrenzung zu leben gezwungen sind. Sozialdienste und psychosoziale Betreuung sollten Bezugspunkt für Hilfe und Schutz sein und nicht für weitere Gewalt- und Erniedrigungserfahrungen sorgen! Schluss mit Lohndumping, Schluss mit Monopolisierung und Schluss mit Profitmaximierung durch Prekarisierung der Lebensumstände von Menschen in Lagern.

Quellen: