Redebeiträge der Kundgebung zur GEAS-Reform mit den Falken

Hier eine Sammlung der Reden unseres der Kundgebung zur GEAS-Reform mit den Falken am 29.06.2023.

  1. Rede von No Lager Osnabrück

  2. Rede von SJD Falken Osnabrück

  3. Commemoration for the murdered people off the coast of Greece

  4. Solidarität aus dem Waldi45

  5. Rede von Kerstin



Rede von No Lager Osnabrück zur Auswirkung der GEAS-Reform auf das Dublin-System

In diesem Redebeitrag möchten wir auf einen weiteren Aspekt der geplanten sogenannten GEAS Reformen eingehen, dem häufig weniger Beachtung geschenkt wird. Die geplanten Reformen werden nicht nur die Situation an den europäischen Außengrenzen verschärfen und die illegalen Praktiken legalisieren, sondern darüber hinaus auch Veränderungen im sogenannten Dublin-System bewirken. Was das Dublin-System ist und wie sich diese Veränderungen auf das Leben von Menschen, die nach Schutz und einer Perspektive suchen, auswirken, möchten wir im Folgenden erläutern.

Die Dublin Vereinbarungen unter den EU-Staaten sind dafür gedacht, diejenigen Staaten für die Bearbeitung der Asylverfahren von Asylsuchenden verantwortlich zu machen, in denen die Menschen zuerst registriert wurden. Meist sind dies die EU- Staaten an den Außengrenzen wie Griechenland, Bulgarien, Italien, Polen oder auch Spanien, da für fliehende Menschen selten reguläre Wege der Einreise, etwa mit dem Flugzeug, bestehen. Die nordeuropäischen Länder ziehen sich somit aus der Verantwortung. Menschen, die bspw. in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellen und deren biometrische Daten in einem anderen Dublin-Land registriert wurden, können in dieses Land abgeschoben oder – oder wie es im Behörden-Jargon heißt – „überstellt“ werden. Dafür hatte das abschiebende Land bisher 6 Zeit – oder bis zu 18 Monate, wenn die abschiebebedrohte Person angeblich untergetaucht ist, um sich der Abschiebung zu entziehen. Erstnach Ablauf dieser Fristwirddas Land selbst zuständig für das Asylverfahren.

In dieser Zeit stehen die Betroffenen unter ständigem psychischem Druck, ihre Asylanträge werden nicht weiter bearbeitet, sie dürfen nicht arbeiten, nicht an Sprachkursen teilnehmen, Sozialleistungen werden stark gekürzt, die medizinische Versorgung ist minimal und vom Ermessen ungeschulter Beamt*innen abhängig. Und im schlimmsten Fall werden sie abgeschoben. Um sich drohenden Abschiebungen in andere Dublin Länder zu entziehen, greifen Asylsuchende auf verschiedene Methoden zurück. Dazu gehören unter anderem Kirchenasyl, das Unterkommen bei Freund*innen und Familie oder in Solidarischen Orten wie Wohnprojekte, Wagenplätzen und Kommunen.

Auf die Skrupellosigkeit der Osnabrücker Behörden in der Umsetzung des Dublin Systems haben wir vor einigen Monaten aufmerksam gemacht, als unser Freund Navid mitten in der Nacht aus dem AMEOS Klinikum abgeholt und abgeschoben wurde. Zur gängigen Praxis in Deutschland gehören darüber hinaus Abschiebungen während Behördenterminen, zum Beispiel zur Aufenthaltsverlängerung oder Erteilung der Arbeitserlaubnis, und Abschiebungen ohne Rücksicht auf den gesundheitlichen Zustand der Betroffenen sowie die (zu erwartende) Lage im Zielland. Dass das Dublin-System ein Scheiss-System ist, ist (war?) schon immer so. Es steht dafür, Menschen auf brutale Weise ihrer Bewegungsfreiheit und Autonomie zu berauben und diese den rassistischen Kontrollfantasien des Europäischen Migrationsregimes zu opfern. Dieses System schafft nichts, als weitere Illegalisierung und Prekarisierung.

Dabei geht es für uns vor allem um Selbstbestimmung und gar nicht um die Frage, wie die Situation in den südlichen Dublin-Staaten ist. Dennoch ist wichtig zu betonen, dass aus Ländern wie Bulgarien, Griechenland und Polen immer auch weitere Abschiebungen, sogennante Kettenabschiebungen drohen können, z.B. weiter in die Türkei. In vielen Mittelmeer- Anreinerstaaten haben Menschen außerdem null komma null Perspektiven: es drohen Verelendung, Illegalität und im Zusammenhang damit krasse Ausbeutung in gezwungenermaßen nicht-regulären Arbeitsverhältnissen. In Polen werden Menschen außerdem systematisch für lange Zeiträume in Gefängnissen eingesperrt, die so dermaßen mies sind, dass Leute dort regelmäßig in Hungerstreiks treten. Aus anderen häufigen Dublin-Zielländern berichten Menschen von Folter durch die Polizei.

Der Abschiebungszeitraum von bisher 6, bzw. 18 Monaten, also diese krasse Zeit der Unsicherheit, Angst und Prekarität, soll nun auf 1, bzw. 3 JAHRE verlängert werden. Und auch das Kirchenasyl, welches oft die letzte Möglichkeit ist, um eine Dublin- Abschiebung erfolgreich zu verhindern, soll verunmöglicht werden. Dies bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für Menschen in diesen Verfahren und Jahre des isolierten Ausharrens voller Ungewissheit und Angst vor Abschiebung. Auch solidarische und häufig familiäre Strukturen und Orte werden zunehmend unter Druck geraten und ihre räumlichen, finanziellen und sonstigen Kapazitäten werden noch mehr gefordert. Der Widerstand gegen Abschiebungen droht somit noch einmal erheblich erschwert zu werden. Die GEAS-Reform zielt also auch darauf ab, den Widerstand gegen Abschiebungen zu brechen. Und trotzdem werden wir und alle, die dem Abschiebe-System die Kante zeigen,neue Wege finden – Das ist ein Versprechen!

Es ist und bleibt daher deutlich: Die geplanten GEAS Reformen dienen der rassistisch motivierten Abschottung sowie Überwachung und Kontrolle von Menschen, die in der EU ankommen – sowohl an den Außengrenzen als auch im Inneren. Das, was vom Grundrecht auf Asyl noch geblieben ist, Bewegungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit, werden (wird?) dagegen bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt.

So kann es nicht weitergehen! Diese Reform darf nicht umgesetzt werden. Jetzt heißt es mehr denn je: „Brick by brick! Wall by wall! Make the fortress Europe fall!“

Lasst uns den Worten Taten folgen! Organisieren wir uns! Setzten wir diesen rassistischen Bestrebungen gemeinsam ein Ende!


Rede von SJD Falken Osnabrück

 


Commemoration for the murdered people off the coast of Greece

Today I am sad because of the murders of more than 400 refugees who were murdered in the Mediterranean sea by Greece coast guard and criminal externalization policies of the EU!

That was not an accident, it was mass murder. We as No Lager and Falken, we decide to gather to commemorate and raise the voices and make aware to the German society as a human. They lost their lives and now every German citizen is carrying the pain and anger on to the street. This is a time for EU and UNHCR to take legal action against Greece authorities and fair enquiry and who is involved in it. Bring them in the circle of justice and provide justice to those refugees who are no longer in this world.

Please speak up for those who cannot speak for themselves. For the rights of all who are destitute. Speak and judge fairly. Defend the rights of the refugees who need support and safe routes.

Your enemy is not the refugee! The only difference between you and refugee is you were born in a different place.

If you have their fate, wouldn’t you want someone to help you. The meaning of refugee is someone who survived, someone who is strong and who can create the future of the country.

In the end of my speech the world will not be destroyed by those without doing anything. In the end I am requesting to the public of Osnabrück to make a silence for one minute to pay them respect and their souls who got murdered in Greece.


Solidarität aus dem Waldi45

Am 8. Juni 2023 haben sich die europäischen innenminister*innen entgegen sämtlicher moralischer Grundwerte auf eine Reform des europäischen Asylsystems geeinigt. Das bedeutet, dass sich die europäische Union, die erst kürzlich wieder über 700 Menschen getötet hat, den strukturellen Rassismus an ihren Außengrenzen weiter vertieft und das mörderische System von Grenzen, Bürokratie und Abschiebungen weiter ausbaut. Dieser Beschluss, den Innenministerin Faeser als historischen Erfolg verkauft und der auch von Außenministerin Baerbock, deren Grundsatz einer „feministischen Außenpolitik“ sich längst als Farce herausgestellt hat, befürwortet wird, wird dafür sorgen, dass Kinder und Familien bis zu 4 Monate unter haftähnlichen Bedingungen hinter Mauern und Stacheldraht festgehalten werden können, um ohne unabhängige Unterstützung in verschärften Grenzverfahren abgearbeitet zu werden.

Neben vielen NGOs und zivilgesellschaftlichen Bündnissen stellen auch wir als Anarchist*innen uns entschieden gegen diese „Reform“, zumal die Entrechtung von Menschen auf der Flucht eine direkte Folge des europaweiten Rechtsrucks ist. In absehbarer Zukunft werden mehr Menschen nicht nur vor wegen in der Klimakrise und Zeiten von Ressourcenknappheit häufiger auftretenden Kriegen, sondern auch vor einer zerstörten Existenz in verwüsteten Lebensräumen flüchten. Diese Menschen, die meist durch ihre Fluchterfahrung traumatisiert werden, sollen an den EU-Außengrenzen aufgehalten werden, damit in den reichen, westlichen Industriestaaten weiterhin die Klimakrise befeuert werden kann, ohne den Menschen, deren Leben dadurch zerstört wird Hilfe leisten zu müssen.

Zwar muss das EU-Parlament noch über die Asylrechtsreform entscheiden, allerdings ist klar, dass solange einige wenige privilegierte über die Zukunft vieler marginalisierter Menschen entscheiden und solange Grenzen, Nationen und Staaten existieren, wir uns weiterhin gegen Rassismus, Faschismus und für eine befreite Gesellschaft organisieren müssen!

No Borders No Nations Stop Deportations!


Rede von Kerstin (befreundete Rechtsanwältin) zur Menschenrechtswidrigkeit der GEAS-Reform

Menschenrechte sind weder sicht- noch greifbar. Aber Menschenrechte sind die Grundlage für unser freies und buntes Leben und sie gelten für alle.

Die letzten Jahre haben leider gezeigt, dass Menschenrechte wohl doch nicht für alle gelten. Wenn Menschen nämlich auf die Flucht gehen müssen, verlieren sie mit ihrem Zuhause, mit ihrer Heimat, mit ihrer geliebten Familie, ihren Freunden und Tieren auch ihre Menschenrechte. So sieht es jedenfalls momentan an den Europäischen Außengrenzen aus. Und die Situation wird durch den Asylkompromiss, der von der Bundesregierung so gepriesen und verteidigt wird, nicht besser. Ganz im Gegenteil. Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems finden tiefgreifende Menschenrechtsverletzungen statt.

So wird das Recht, Schutz in einem anderen Staat suchen zu dürfen, faktisch abgeschafft. Mit den Grenzverfahren soll es zu einer automatischen Unterbringung von Geflüchteten in geschlossenen Lagern kommen. Das gilt auch für Familien mit kleinen Kindern. Diese automatische Inhaftierung von Kindern hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in mehreren Urteilen als eine erniedrigende unmenschliche Behandlung eingestuft. Menschen aus Herkunftsländern mit einer geringen Chance auf eine Anerkennung sollen nach einer kurzen Überprüfung direkt zurück geschoben werden, ohne die Möglichkeit, die Entscheidung überprüfen zu lassen. Und die so genannten sicheren Drittstaaten sollen ausgeweitet werden, ohne zu berücksichtigen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention die Anerkennung als Flüchtling von individuellen Gründen abhängig macht und nicht von dem Land, aus dem der Mensch flieht.

Flucht ist niemals freiwillig und so werden Menschen, die vor Krieg, Gewalt oder individueller Verfolgung ihr Land verlassen müssen, nicht aufhören, in Europa Schutz suchen zu wollen, nur weil Grenzverfahren eingerichtet werden. Sie werde Wege suchen, um diese Lager zu umgehen. Wege, die noch weiter und noch gefährlicher sind und Schlepper werden mehr Geld verdienen als sie jetzt schon tun. Menschen werden darum weiterhin auf der Flucht sterben, weil sie ertrinken, verhungern, verdursten, erfrieren oder an ihren körperlichen und seelischen Verletzungen zu Grunde gehen.

Diese Umstände sind der Bundesregierung bekannt. Dennoch stimmt sie für Regelungen, von denen sie weiß, dass sie gegen die in unserem Grundgesetz festgeschrieben Grundrechte, gegen die Europäische Menschenrechts- und gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Sie hält sich also bewusst nicht an das geschriebene Recht. Und damit wird Rechtsstaatlichkeit verhandelbar.  Und das trifft uns alle, auch hier in Deutschland.

Rechtsstaatlichkeit ist nämlich das Vertrauen darauf, dass sich unsere Regierung an Recht und Gesetz hält. Und wenn dieses Vertrauen von der Regierung missachtet wird, dann bröckelt unsere Demokratie. Wer garantiert uns nämlich, dass die Regierung zukünftig nicht andere Rechte, wie beispielsweise von Menschenrechtsverteidig*innen, Klimaschützer*innen, politischen Gegnern und anderen Gruppen einschränken wird. Und das alles mit der Begründung, die Spaltung unserer Gesellschaft und den Zulauf zu Rechtspopulisten verhindern zu wollen.

Aber genau für diese Zeiten sind Menschenrechte in unserem Grundgesetz verankert und in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben worden. Genau für diese Zeiten, in denen rechtspopulistische Parteien Politik, Wahlkampf und Meinungsmache mit Hass und Hetze gegen Menschen machen, die eh schon alles verloren haben und sich nicht wehren können, wurde die Genfer Flüchtlingskonvention gemacht, um Menschen auf der Flucht zu schützen.

„Nie wieder“ war der Antrieb für die gesetzliche Verankerung der Menschen- und insbesondere der Flüchtlingsrechte. Wir sollten dieses „nie wieder“ ernst nehmen, denn es geht jetzt und heute um die Menschenwürde, die Freiheit, die körperliche Unversehrtheit und das Leben von Menschen. Darum sollten wir alle unsere Stimme deutlich und zu jeder Zeit für Menschenrechte, also für ein freies und buntes Leben erheben. Danke!