Rede in Solidarität mit der WabOS

Rede zur Kundgebung zum Erhalt aller Wagenplätze und gegen die Zerstörung der Natur am 27. Juni. (Aufruf)

 

Liebe Mitstreiter*innen und Freund*innen,

danke für diese Kundgebung! Wir sind No Lager Osnabrück und zuallerst wollen wir den Bewohner*innen der WabOS unsere uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung ausdrücken!

Der Osnabrücker Rat sprach gegenüber den Bewohner*innen der WabOS davon, dass eine gemeinsame Lösung gefunden würde – nun ist die angebotene Alternativfläche zu klein und reicht vom Platz her nicht für alle Wägen aus. Vielen Bewohner*innen droht also Obdachlosigkeit. Klingt wie eine Entscheidung entgegen jeden Anstand und dem sozialen Frieden!?

Ach quatsch, wir wissen ja alle – Osnabrück versteht sich als „Friedensstadt“. Dem aggressiven und scheinheiligen Stadtmarketing ist schwer zu entgehen. Dabei haben wir schon 2017 festgestellt, dass „Abschiebestadt“ viel passender ist. In dieser Stadt wird abgeschoben, verdrängt, ausgeschlossen, rassistisch kontrolliert und kriminalisiert, dass einer nur die Wut kommen kann. Wo wir hier mal wieder bei einer Ratssitzung stehen: Ende August 2018 hat der Stadtrat in so einer Sitzung die Stadt Osnabrück zu einem „sicheren Hafen“ erklärt. Das war im Zuge einer Solidaritätskampagne der Seebrücke mit der zivilen Seenotrettung und daher grundsätzlich eine wichtige Sache. Aber Wörter und Beschlüsse dieses Stadtrates gehen weit auseinander. In dem „Sicherer Hafen“ Beschluss hieß es, es sei eine „Selbstverständlichkeit“, dass auch in „unserer Stadt“ geflüchtete Menschen ohne Angst leben können sollen. Dazu zwei Dinge.

Erstens: Nein, tun sie natürlich nicht. Unzählige geflüchtete Menschen in dieser Stadt leben in ständiger Angst vor Abschiebungen, davor, nachts aus ihrem eigenen Bett und in ein anderes Land verschleppt zu werden. In ständiger Angst vor rassistischen Polizeikontrollen. Vor rassistischen Attacken und Beleidigungen. Und das betrifft natürlich nicht nur geflüchtete Menschen, sondern allgemein Schwarze Menschen und Personen of Color. Außerdem leben so viele Menschen in dieser Stadt in Angst vor dem nächsten Termin im Jobcenter oder der Ausländerbehörde. Davor, Gesundheitsleistungen verweigert zu bekommen. So viele Menschen, die als obdachlose Menschen oder Drogennutzer*innen kriminalisiert werden, leben in Angst vor Angriffen durch Faschos oder Cops, vor Vertreibung und Schikane. Diese Aufzählung könnte ewig so weiter gehen, aber auch so ist klar: Was ihr „Sicherheit“ nennt, ist für viele nichts wert! Eure „Sicherheit“ ist bestenfalls zynisch, schlimmstenfalls lebensgefährlich für andere.

Zum zweiten Punkt: Ihr sprecht von „unserer Stadt“. Doch wessen Stadt ist Osnabrück wirklich? Wem gehört die Stadt? Die Wahrheit ist natürlich: Es ist eine Stadt der Wenigen, eine privatisierte, gentrifizierte, enge, patriarchale und barrierevolle Stadt. Eine Stadt, in der Räume der Solidarität und der tatsächlichen Sicherheit, der sorgenden, emphatischen Sicherheit, kleiner und kleiner werden. Die drohende Verdrängung und Räumung der Wagenburg ist genau das aggressives politisches Vorgehen, das solidarische Räume zerstört. Wir aber wollen eine Stadt für alle. Eine Stadt der Vielen, eine solidarische, sorgende Stadt. Eine Stadt, in der wohnen für alle möglich ist, unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsstatus. Ein Leben im Lager, wie es in Osnabrück in der Sedanstraße der Fall ist, ein Leben in Heimen und Notunterkünften, wie sie an zahlreichen Orten in Osnabrück stehen, ein Leben ohne Dach über dem Kopf fühlt sich für viele zutiefst entmenschlichend an und zeichnet sich durch das verweigerte Recht auf „Schutz der Wohnung“ aus. Das Recht auf lebenswürdiges Wohnen gilt in der Praxis der Stadt Osnabrück nur für die, die – neben den richtigen Papieren – genug Geld zur Verfügung haben und der bürgerlichen Norm entsprechen. Klassenkampf von oben in Form von Verdrängung und Rassismus gehen in der Osnabrücker Wohnungspolitik Hand in Hand und das bekommen (auch) unsere Freund*innen der WaBOS zu spüren. Deshalb gilt es unsere Kämpfe zu verbinden, für das Recht auf lebenswürdiges Wohnen für alle.

Eine Stadt für alle, dafür also kämpfen wir gemeinsam mit den Freund*innen von der WabOS! Mit unseren abschiebebedrohten Freund*innen, mit unseren queeren Freund*innen, mit allen, die für ein gutes, befreites Leben für alle kämpfen und die in dieser Stadt gerade keinen Platz haben!