Offener Brief an den Stadtrat Osnabrück initiiert von No Lager Osnabrück und mit Unterstützung von Exil e.V.

Schutzmaßnahmen für Alle und zwar sofort!
[Der gesamte offene Brief kann hier eingesehen werden]
Am heutigen Tag wurde ein offener Brief an die Mitglieder des Rates der Stadt Osnabrück
verschickt. Gefordert werden schutzschaffende Maßnahmen für Geflüchtete,
Obdachlose und schutzbedürftige Frauen und Kinder in der Coronakrise. Initiiert
wurde der Brief von der antirassistisch arbeitenden Gruppe No Lager Osnabrück, die
sich seit Jahren gegen Abschiebungen einsetzt. Unterstützt wurde der Brief von Exil
e.V. und weiteren Osnabrücker Organisationen.
Auf Grund der Coronakrise wird überall zur Solidarität und Rücksichtnahme aufgerufen.
Sei es die Rücksicht auf Risikogruppen oder das Verständnis für die mitunter
extrem restriktiven Eingriffe in die Grundrechte von uns allen. Viele Menschen stellen
sich gerade ganz existenzielle Fragen.

Verfolgt man die täglichen Nachrichten fällt jedoch auf, dass vieles durch die schiere
Allgegenwärtigkeit von Covid-19 in Vergessenheit geraten ist: die Klimakrise, die weiterhin
schwierige sozio-politische Lage in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens,
sowie die daraus resultierende prekäre Situation der Geflüchteten an der EUAußengrenze.
Dass Deutschland als Land mit 82 Millionen Einwohner*innen
scheinbar nur dazu in der Lage ist, 50 Menschen aus den Camps auf den griechischen
Inseln aufzunehmen (bzw. die gesamte Europäische Union mit 450 Millionen Einwohner*
innen insgesamt nur 1.500), ist für uns vollkommen unverständlich. Dass die
Bundesregierung durchaus in der Lage ist, eine große Anzahl von Menschen aus dem
Ausland einfliegen zu lassen zeigt die Rückholaktion der rund 200.000 Menschen, die
die deutsche Staatsbürgerschaft innehaben oder auf Grund anderer Privilegien als rettungswürdig erscheinen.
Im konkreten Fall der Stadt Osnabrück und dem Land Niedersachsen blicken wir vor
allem mit Sorge auf die Unterbringungssituation von Geflüchteten, Obdachlosen und
schutzbedürftigen Frauen und Kindern. Deren enge Unterbringung in Mehrbettzimmern bzw. engen, gemeinschaftlich genutzten sanitären und haushaltstechnischen Anlagen
machen es kaum möglich, sinnvolle Abstands- und Hygieneregeln anzuwenden.
Das erhöht, trotz aller Bemühungen, in diesen Einrichtungen das Infektionsrisiko extrem.
Wir fordern daher die Stadt Osnabrück und das Land Niedersachsen auf, als
notwendigen Schutz vor der Infizierung mit dem Coronavirus Maßnahmen für Geflüchtete,
Obdachlose und schutzbedürftige Frauen und Kinder zu ergreifen und begrüßen
die schon eingeleiteten Maßnahmen, um diesen Schutz zu gewährleisten.
Pro Zimmer darf nur eine volljährige Person untergebracht werden.
Wenn dies in Unterkünften und im Frauenhaus nicht möglich ist und wenn durch
enge, gemeinschaftliche Nutzung der vorhandenen sanitären Anlagen und Küchen
das Ansteckungsrisiko extrem erhöht ist, müssen die Stadt Osnabrück und das Land
Niedersachsen eine anderweitige Unterbringung in den zurzeit ohnehin leerstehenden
Hotels, Hostels und Jugendherbergen veranlassen.
Die Aufnahme weiterer Geflüchteter von den Außengrenzen.
Die Stadt Osnabrück ist seit einigen Jahren ein sogenannter „Sicherer Hafen“ für Geflüchtete
und hat damit die Bereitschaft erklärt, eigenständig weitere Geflüchtete aufzunehmen.
Auch vonseiten des Bürgermeisters wurde die Bereitschaft erklärt, im
Rahmen einer europäischen Aktion weitere Geflüchtete aufzunehmen. Es darf jetzt
keine Zeit verloren werden. Es gilt nun, die bestehende Katastrophe in den griechischen
Lagern zu beenden und eine Verschlimmerung dieser Katastrophe durch das
Coronavirus abzuwenden. Dafür gilt es sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, die
der Stadt Osnabrück und dem Land Niedersachsen zur Verfügung stehen, um weitere
Menschen eigenständig aus den Massenlagern aufzunehmen und unterzubringen. Die
Stadt Osnabrück soll den Königsteiner Schlüssel aussetzen und somit die Kommune
befähigen – über den Verteilungsschlüssel hinaus – Migrant*innen aufzunehmen.
Verlängerung sämtlicher Aufenthaltstitel. Zugang zu Gesundheitsleistungen in vollem
Umfang.
Menschen, die aufgrund der Corona-Krise ihren Arbeitsplatz und somit die Grundlage
ihres Aufenthaltstitels verlieren, müssen bis auf Weiteres eine unbefristete Verlängerung
ihrer Aufenthaltspapiere bekommen. Zudem muss ein niedrigschwelliger Zugang
zu Sozial- und Gesundheitsleistungen für alle Menschen gewährleistet sein. Viele
Migrant*innen, die nun keinen Arbeitsplatz mehr haben, sind akut von sozialer Verelendung
bedroht.
Asylsuchenden wird nur ein beschränkter Zugang zum Gesundheitssystem gewährt.
Dies muss mindestens für die Zeit der Corona-Pandemie aufgehoben werden und es
muss eine vollumfängliche Gesundheitsversorgung für alle Menschen ermöglicht
werden.
Alle Abschiebungen aussetzen. Leistungskürzungen aufheben.
In der derzeitigen Situation, in der das gesamte gesellschaftliche Leben heruntergefahren
wird, erscheint es geradezu absurd, dass Abschiebungen weiter angedroht und
durchgeführt werden sollen, was solange möglich ist, wie ein Abschiebestopp nicht
ausgesprochen wird. Abgesehen davon, dass viele Länder generell momentan keine
Menschen aus dem Ausland aufnehmen, ist es nicht zumutbar, Menschen durch eine
Abschiebung einem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen. Zudem müssen die Ausländerbehörde
und die Sozialämter sofort die Leistungskürzungen für jene Geduldete
und Asylbewerber*innen aufheben, die aufgrund mangelnder Mitwirkungspflichten
bei der Identitätsklärung oder Ausreise erteilt wurden. Die momentane Situation verunmöglicht
diese Mitwirkungspflicht und darf daher auch nicht sanktioniert werden.
Es gilt nun, gemeinsam mit den Sozialämtern einen einfachen Zugang zu Überbrückungsleistungen
für all jene zu ermöglichen, die in der momentanen Situation darauf
angewiesen sind. Des Weiteren müssen die Fristen der Dublin-III-Verordnung nicht
nur pausiert, sondern ausgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass Deutschland nicht
sein Recht auf Selbsteintritt nutzt und somit weiterhin an dem unnützen Dublin-System
festhält und Menschen weiterhin der Angst vor Abschiebungen aussetzt. Aufkommunaler Ebene muss ein Erlass ergehen, der die Ausländerbehörde auffordert,
keine weiteren abschiebenden Maßnahmen einzuleiten, für niemanden.
Unterzeichnet von:
Amnesty International Gruppe Osnabrück
Angelika Doppler, Mitglied bei Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück
Attac Osnabrück
Autonomes Frauenhaus Osnabrück
BISS Osnabrück
Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück
Die Falken Osnabrück
Die Grünen – Stadtverband Osnabrück
Die Linke –  Kreisverband Osnabrück Stadt
Exil e.V.
Flüchtlingshilfe Rosenplatz
Frauenberatungsstelle Landkreis Osnabrück
Frauenberatungsstelle Stadt Osnabrück
Frauennotruf Osnabrück
HelpAge Deutschland e.V. – Osnabrück
Maria Meyer, Preisträgerin des Elisabeth-Siegel-Preises der Stadt Osnabrück
Nicole Verlage, Vorsitzende DGB Stadtverband Osnabrück
Niedersächsischer Flüchtlingsrat
No Lager Osnabrück
SDAJ Osnabrück
Seebrücke Osnabrück
SubstAnZ Osnabrück
Wir freuen uns, dass auch nach Veröffentlichung des Briefes Gruppen und Einzelpersonen den offenen Brief nachträglich unterzeichnet haben. Sie wurden dieser Liste der Unterzeichner*innen hinzugefügt.
Der offene Brief kann hier als PDF-Dokument eingesehen werden.