Buch: Tobias Pieper – Die Gegenwart der Lager

Ein sehr empfehlenswertes Buch ist „Die Gegenwart der Lager -Zur Mikrophysik der Herrschaft in der deutschen Flüchtlingspolitik“ (Westfälisches Dampfboot 2008). In dem aus seiner Dissertation entstandenen Buch stellt Tobias Pieper verschiedenen Lager vor und ordnet sie theoretisch ein.

Für die Recherche hat er auch mehrere Tage im Lager Bramsche-Hesepe verbracht. Besonderes Merkmal ist dabei für ihn die Vereinung aller für den Aufenthalt dort notwendigen Institutionen und Einrichtungen im Lagerkomplex selbst. Das Lager Hesepe ist hiernach als „halboffene totale Institution“ zu charakterisieren.

Pieper, Tobias;
Die Gegenwart der Lager
Zur Mikrophysik der Herrschaft in der deutschen Flüchtlingspolitik
2008 – 425 S. – € 29,90 ISBN: 978-3-89691-741-6

Webseite: http://www.dampfboot-verlag.de/buecher/741-6.html

Die zu grunde liegende Dissertation ist auch online verfügbar:

Tobias Pieper (2009): Das Lager als Struktur bundesdeutscher Flüchtlingspolitik. Dissertation, FU Berlin. Online verfügbar unter: http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000003666

„Asylsuchende, de facto Flüchtlinge und geduldete MigrantInnen werden seit 1982 in lagerähnlichen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, die dezentral über das Bundesgebiet verteilt liegen. Dieses System wird als dezentrales halboffenes Lagersystem gefasst, der Lagerbegriff kritisch diskutiert (Agamben, Goffman, Herbert). Die Einwanderungsgeschichte in die Bundesrepublik Deutschland wird unter dem Gesichtspunkt der Lagerinstallation seit 1945 aufgerollt. Derzeit sind immer noch über 100.000 Menschen davon betroffenen, mit dem „Zuwanderungsgesetz“ wurden Ausreiseeinrichtungen (Ausreisezentren/Abschiebelager) zur Forcierung „freiwilliger“ Ausreisen als neue Lagerform kodifiziert. Der Einschluss der MigrantInnen in der gesellschaftlichen Exklusion findet weitgehend hinter dem Rücken einer kritischen Öffentlichkeit statt. Diese Forschungsarbeit geht von der Analyse des Sozialraums Lagers aus der Perspektive seiner BewohnerInnen aus und erarbeitet Strukturdimensionen, die diesen analytisch fassbar machen. Es eröffnet sich ein potentiell rechtfreier Raum, der systematische Menschenrechtsverletzungen produziert. In raum-, rassismustheoretische und sicherheitstechnologische Überlegungen eingebettet wird eine Analyse der politischen, ökonomischen und ideologischen Funktionen das dezentrale Lagersystem erarbeitet. Eingebettet in kritisch-materialistische Theorieansätze wird ein fundierter Begriff des institutionellen Rassismus (Hall, Bourdieu) entworfen. Die Entrechtung von MigrantInnen und deren Einschluss im Lager wird dann in seinen historischen Dimensionen fassbar als wichtiger Regulationsmodus der Einwanderungsbewegungen in die Bundesrepublik Deutschland.“