21.12.2022
Bei No Lager Osnabrück organisierte Bewohner*innen des Lagers der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in Bramsche haben am 21.12.2022 einen Brief an den Leiter Hendrik Robbers verschickt. Da eine Antwort bis heute ausblieben, veröffentlichen wir diesen nun. Die dazugehörige Pressemitteilung findet ihr hier.
Triggerwarnung: Suizid // Trigger Warning: Suicide
„Osnabrück, 21.12.2022
An den Leiter des Lagers Bramsche-Hesepe,
Guten Tag Herr Robbers,
wir kontaktieren Sie heute, da die Situation im Lager in Hesepe, wie Ihnen sicherlich nicht entgangen ist, für die Bewohner*innen nicht tragbar ist. Besonders in den letzten drei Monaten hat sich die Situation noch weiter verschlechtert: Das Lager ist überbelegt, teilweise leben die Bewohner*innen in Hallen mit 100-120 Personen, in welchen – bspw. in Halle Nr. 17 – keine Bäder oder Internet zur Verfügung stehen. Diese Gebäude sind nicht dafür geeignet, dass Menschen darin leben!
Doch die Überbelegung kann nicht als Entschuldigung gelten, die Rechte und Würde der Menschen, die gezwungen sind im Lager zu leben, zu missachten.
Die Bewohner*innen leiden unter den schlechten Bedingungen!
Wir fordern Sie deshalb auf, eine menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen.
Die Situation muss sich umgehend bessern und das liegt in Ihrer Verantwortung als Leiter des Lagers.
Besonders die Situation der Babys und Kinder ist mehr als besorgniserregend. Die Schule ist geschlossen, die Öffnungszeiten des Kindergartens wurden verringert, wodurch Schutzräume genommen werden. Uns wird berichtet, dass die Lebensmittelversorgung gravierende Mängel aufweist und nicht altersgerecht ist. Offenbar bekommen Kinder jeden Alters das gleiche Essen wie die Erwachsenen, besondere altersspezifische Bedürfnisse bleiben unberücksichtigt. Die Rationen für die Kinder werden nur dann ausgegeben, wenn diese bei der Ausgabe anwesend sind. Das bedeutet, dass die Kinder vollkommen unnötigerweise mit in langen Schlangen warten müssen, was für sie und ihre Bezugspersonen eine große Belastung darstellt. Außerdem darf die Mahlzeit nicht mit auf die Zimmer genommen und muss vor Ort verzerrt werden – unabhängig davon, ob das Kind gerade essen kann und möchte oder nicht. All das stellt für Kinder und ihre Bezugspersonen einen vermeidbaren Stressfaktor dar. Die Versorgung muss dringend kindsgerecht und bedürfnisorientiert organisiert und die Nahrung altersgerecht zubereitet werden. Für Babys und Kinder stellt das Leben unter Lagerbedingungen ohnehin schon eine erhebliche psychische und physische Belastung dar. Nun ist die aufgrund langer Terminwartezeiten prekäre medizinische und kinderärztliche Betreuung ein zusätzlicher Risikofaktor. Sie stehen als Leitung in der besonderen Pflicht, die Unterbringung von Babys und Kindern verantwortungsvoll zu gestalten.
Außerdem haben die Bewohner*innen keinen Zugang zu Sprachkursen – die Teilnahme wird ihnen zwar angeblich ermöglicht, doch erst nach einer unbestimmten Wartezeit. Im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Integrationserwartungen, die gesetzlich verankert sind, und in welchen das Erlernen der deutschen Sprache als Integrationsleistung inbegriffen ist, nimmt der Lageraufenthalt den geflüchteten Personen die Möglichkeit, Deutsch zu lernen.
Es ist zudem ein großes Problem für die Bewohner*innen, dass sie für verschiedene Leistungen (Geld, Wäsche, Essen, Coronatests, usw.) lange anstehen müssen. Teilweise stehen die Menschen ab 4 Uhr morgens in langen Schlangen an oder werden nach Stunden des Wartens weggeschickt, so dass sie am nächsten Tag erneut kommen müssen. Insbesondere durch die winterlichen Bedingungen wird das Warten zu einem großen Problem, da alle – Säuglinge, Kinder, alte und kranke Menschen eingeschlossen – in Kälte und Regen ausharren müssen, um ihre grundsätzlichen Bedürfnisse erfüllen zu können. Wir wissen, dass sich an verschiedenen Stellen in den Gebäuden der Müll stapelt, die Bäder nicht in ausreichender Häufigkeit gesäubert werden und die Bewohner*innen unter einem Mangel an frischer Luft in den Innenräumen leiden, da sich die Fenster in den Hallen nicht eigenständig öffnen lassen.
Es darf nicht sein, dass das „Ankunftszentrum Bramsche-Hesepe“ die Bewohner*innen krank macht und der Aufenthalt im Lager regelmäßig zu Suizidalität führt [1]. Es bleibt für uns unverständlich, wie die Verantwortlichen des Lagers erwachsenen Menschen bei zwei von drei täglichen Mahlzeiten nur Brot, Butter und Marmelade zur Verfügung stellen und damit die Gesundheit der Bewohner*innen aufs Spiel setzen. Ihnen wird die Möglichkeit zur gesunden Ernährung genommen und ihre Gesundheit verschlechtert sich durch das Leben im Lager weiter. Es ist unverantwortlich, die Gesundheit dieser Menschen, die mehrheitlich Traumatisches erlebt haben und offensichtlich besonders schutzbedürftig sind, systematisch zu missachten.
Aber das wissen Sie ja schon alles! Obwohl Sie das Privileg haben, außerhalb des Lagers zu leben, werden Ihnen die menschenunwürdigen Zustände im Lager sicherlich bewusst sein. Nicht zuletzt durch die zahlreichen Beschwerden, mit denen die Bewohner*innen immer wieder versuchen, ihre Menschenrechte geltend zu machen.
Wir fordern und erwarten, dass Sie die Situation für die Bewohner*innen unverzüglich verbessern. Wir fordern Sie auf Ihren Aufgaben nachzukommen. Sorgen Sie für das Wohlbefinden der Menschen, die im Lager leben müssen!
Die unhaltbaren Zustände im „Ankunftszentrum Bramsche-Hesepe“ erachten wir von öffentlichem Interesse, zumal Grundrechte in diesem Land allgemeingültig sind. Wir gehen also davon aus, dass Sie die Missstände unverzüglich angehen.
Für ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen!
No Lager Osnabrück
Unterstützt von: Jugendliche ohne Grenzen Osnabrück, Solidarity City Osnabrück, DGB-Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, Eleganz Bildungsplattform e.V., Refugee Law Clinic Osnabrück e.V. & Feministisches Streikbündnis Osnabrück“
Trigger Warning: Suicide
“ Osnabrück, 21.12.2022
To the director of the camp in Bramsche-Hesepe,
Hello Mr Robbers,
We are contacting you today because the situation in the camp in Hesepe is, as I am sure you have noticed, unacceptable for the residents. Especially in the last three months, the situation has worsened: the camp is overcrowded, some of the residents live in halls with 100-120 people, in which – for example in hall no. 17 – no bathrooms or internet are available. These buildings are not suitable for people to live in!
But overcrowding cannot be used as an excuse to disregard the rights and dignity of the people who are forced to live in the camp.
The residents suffer from the poor conditions!
We therefore call on you to ensure humane accommodation.
The situation must improve immediately and this is your responsibility as the manager of the camp.
Especially the situation of the babies and children is more than worrying. The school is closed, the opening hours of the kindergarten have been reduced, taking away shelter. We are told that the food supply is seriously lacking and not age-appropriate. Apparently children of all ages get the same food as adults, special age-specific needs are not taken into account. The rations for the children are only given out if they are present when they are served. This means that the children have to wait in long queues completely unnecessarily, which is a great burden for them and their caregivers. In addition, the meal may not be taken to the rooms and must be distorted on the spot – regardless of whether the child can and wants to eat at the moment or not. All this represents an avoidable stress factor for children and their caregivers. Care must urgently be organised in a child-friendly and needs-oriented manner and food must be prepared in an age-appropriate manner. For babies and children, life under camp conditions is already a considerable psychological and physical strain. Now the precarious medical and paediatric care due to long appointment waiting times is an additional risk factor. As a manager, you have a special duty to ensure that babies and children are accommodated responsibly.
In addition, the residents have no access to language courses – they are supposedly allowed to attend, but only after an indefinite waiting period. Contrary to society’s expectations of integration, which are enshrined in law and which include learning German as an integration service, the camps deprive the refugees of the opportunity to learn German.
It is also a big problem for the residents that they have to queue for a long time for various services (money, laundry, food, coronatests, etc.). Sometimes people stand in long queues from 4 a.m. onwards or are turned away after hours of waiting, so that they have to come again the next day. The winter conditions in particular make waiting a big problem, as everyone – babies, children, old and and sick people – have to wait out the cold and rain in order to meet their basic needs. We know that rubbish is piled up in various places in the buildings, the bathrooms are not cleaned with sufficient frequency and the residents suffer from a lack of fresh air indoors because the windows in the halls cannot be opened independently.
It is not acceptable that the „Bramsche-Hesepe Arrival Centre“ makes the residents ill and that the stay in the camp regularly leads to suicidal tendencies [1]. It is incomprehensible to us how those responsible for the camp provide adults with only bread, butter and jam for two out of three daily meals and thus put the health of the residents at risk. They are deprived of the possibility of a healthy diet and their health is further deteriorated by living in the camp. It is irresponsible to systematically disregard the health of these people, most of whom have experienced trauma and are obviously in need of special protection.
But you already know all that! Although you have the privilege of living outside the camp, you will certainly be aware of the inhumane conditions in the camp. Not least through the numerous complaints with which the residents repeatedly try to assert their human rights.
We demand and expect that you immediately improve the situation for the residents. We call on you to fulfil your duties. Take care of the well-being of the people who have to live in the camp!
We consider the untenable conditions in the „Arrival Centre Bramsche-Hesepe“ to be of public interest, especially as fundamental rights are universal in this country. We therefore assume that you will address the grievances without delay.
For a dignified life for all people!
No Lager Osnabrück
Supported by: Jugendliche ohne Grenzen Osnabrück, Solidarity City Osnabrück, DGB-Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, Eleganz Bildungsplattform e.V., Refugee Law Clinic Osnabrück e.V. & Feministisches Streikbündnis Osnabrück“