Reden unserer 1. Demo zur Ausländerbehörde 03.11.2022

Hier eine Sammlung der Reden unserer ersten gemeinsamen Demonstration zur Ausländerbehörde Osnabrück am 03.11.2022.

    1. Rede von einem unserer Genossen

    2. Rede von Deniz, Student*in

    3. Rede von Jugendliche ohne Grenzen

    4. Rede von Prashant, Internationaler Student



Rede von einem unserer Genossen

Rede auf Englisch als Audio | Deutsche Übersetzung

„Till when?

How long will I suffer in this world?
Because of my opinion and me telling the truth, they put me in prision and I did the imposible and escaped.
Do you expect that I chose this path because I needed something?.. I didn’t need anything… I had everything… I had a house, a car, a wife, children and a good job.
But at the moment of my arrest, I lost everything. I did the impossible to search for another life in a place that believed in freedom of opinion, justice and freedom of speech.

I chose Germany.
Unfortunately, I arrived here after I was tortured, and I was broken, both physically and psychologically.
I expected Germany to accept me quickly, for I have all the evidence to prove my story, and you just have to look at the sadness in my eyes to see the extent of the damage I have reached.

Here comes the threat of deportation.

Germany, why do you refuse to treat me, educate me, include me, give me the opportunity to work, the opportunity to build a new future from scratch?
We have always heard about Germany, the country of freedom, the country of opportunities, the country of love.
But I did not find love, interest, or even the papers to open a bank account.
How long will I remain like this? Deprived of seeing my children who are still in danger in my country from which I fled.

Till when?“



„Wie lange noch?

Wie lange muss ich noch leiden in dieser Welt? Für den Ausdruck meiner Meinung und für das Sagen der Wahrheit haben sie mich ins Gefängnis gesperrt. Und mir ist das Unmögliche gelungen, ich bin entkommen.
Meint ihr, ich habe diesen Weg gewählt, weil ich etwas brauchte?… Ich brauchte nichts… Ich hatte alles… Ein Haus, ein Auto, eine Frau, Kinder, eine gute Arbeit.
Aber in dem Moment meiner Festnahme habe ich alles verloren. Und ich habe das Unmögliche getan um ein anderes Leben zu finden, an einem Ort, der an Meinungsfreiheit, Gerechtigkeit und Redefreiheit glaubt.

Ich habe Deutschland gewählt.

Doch als ich ankam, war ich gefoltert, ich war gebrochen, körperlich und psychisch.
Ich hatte erwartet, dass Deutschland mich schnell aufnehmen würde, denn ich habe alle Beweise dafür geliefert, was ich erlebt habe. Du musst mir nur in die Augen blicken, um die Trauer zu sehen, um das Ausmaß an Beschädigung zu sehen.

Und dann kommt die Androhung der Abschiebung.

Deutschland, warum weigerst du dich, mich zu behandeln, mich zu unterrichten, mich aufzunehmen. Warum weigerst du dich mir die Möglichkeit zum Arbeiten zu geben und eine neue Zukunft aufzubauen? Immer haben wir von Deutschland gehört – dem Land der Freiheit, dem Land der Möglichkeiten, dem Land der Liebe, hieß es. Doch ich habe hier keine Liebe gefunden, kein Interesse – noch nicht einmal die Papiere, um ein Bankkonto zu eröffnen.

Wie lange muss ich so leben? Beraubt und fern ab von meinen Kindern, die noch immer in dem Land sind, aus dem ich fliehen musste.
Noch immer in Gefahr.

Wie lange?“


Rede von Deniz, Student*in

„Meine Erfahrungen mit der Ausländerbehörde.

Ich durfte ziemlich früh in meinem Leben mit der Ausländerbehörde Bekanntschaft machen; nachdem wir als ich 11 Jahre alt war in Deutschland ankamen, weiß ich gar nicht, wie viele Stunden wir als Familie dort verbracht haben. Prozentual ziemlich wenig in der Räumen der Behörde drin, umso länger war die Zeit, die wir trotz Termin in der Warteschlange, die sich im Rathaus wie eine Schnecke immer im Kreis drehte. Ich kann mich gut daran erinnern, was das für ein Stress in mir ausgelöst hat, zu wissen, es steht wieder ein Termin an, Papa hat sich den Tag freigenommen, damit wir warten den ganzen Tag stehend warten, um am Ende sich nicht richtig verständigen zu können und gesagt zu bekommen, dass mal wieder ein Dokument fehlt und einen neuer Termin gemacht werden muss. Damals habe ich mich schon gefragt, warum wir denn so oft hermüssen und was das für eine Planung sein kann, dass 50/60 Leute stundenlang warten und einen Termin haben? Ah, wir wurden auch schonmal weggeschickt, nachdem wir den Tag im Rathaus verbracht haben, da sie Feierabend hatten. Ich meine, das ist sehr verständlich, jedoch wenn offensichtlich mehr Personal benötigt wird, verstehe ich nicht wie die Situation über die Jahre so bleiben kann.

Oder doch, die Menschen haben keine Wahl. Sie müssen in dieser Schlange stehen. Anders geht es nicht.

Mein Papa war schon 5 Jahre vor uns in Deutschland und er durfte auch arbeiten, als wir, meine Mama, meine Schwester und ich in Deutschland ankamen. Meine Schwester und ich durften zur Schule, wofür ich sehr dankbar bin, aber wo auch harte Zeiten auf uns warteten. Doch tat es mir weh zu sehen, wie meine Mama, eine sehr unabhängige Frau, die schon ziemlich jung ihr eigenes Geld verdiente, jahrelang auf ein Arbeitserlaubnis warten musste.
Dadurch, dass ich hier zur Schule gegangen bin und jetzt mittlerweile zur Uni, hatte ich es leichter mit der Aufenthaltserlaubnis, wenn ich denn mal einen Termin bekam. Ab dem Punkt, wo ich angefangen habe, mich selber um den bürokratischen Kram zu kümmern, habe ich auch schon 1,5 Jahre mit einem abgelaufener Niederlassungserlaubniskarte verbracht, da ich keinen Termin bekam. Internetportal, Anrufe, persönlich Vorbeischauen hat nichts gebracht. Das heißt, ich hatte eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, konnte es aber nicht beweisen. Als ich dann irgendwann im Ausland war, habe ich dann zum ersten Mal diesen Stress erlebt, nicht über die Grenze zu dürfen, und die Behandlung der Grenzpolizei.

Ich habe es am eigenen Leibe erlebt, wie viel schwerer es einer*m gemacht wird, wie viele Punkte der Verzweiflung und enormer Stress uns begleitet hat über die Jahre, obwohl ich es verglichen deutlich leichter hatte. Ich fordere einen menschenwürdigen Umgang und Erleichterung der Situation durch mehr Personal, Übersetzungshilfen und auch weniger Spielraum bei den Entscheidungen, damit das Zittern vor der Tür aufhört, weil die Entscheidung auf die Person hinter der Tür ankommt und hinter der Nebentür eine andere wäre.“


Rede von Jugendlichen ohne Grenzen

Englische Originalfassung

Triggerwarnung: Krieg, Gewalt, Mord
Trigger Warning: War, Violence, Murder

„Today, as an Afghan girl, I am standing here to tell you about the suffering and the pain of the innocent Afghan people and to be their voice. Afghanistan, a country that is located in a corner of the world and is being destroyed by the Taliban.

On 15th of August 2021, the Taliban took over Afghanistan and they made life much more difficult for people. In simple words, people especially women, are being pushed into darkness, isolation and oppression.

Moreover, the keel in development direction has failed the hope in Afghanistan. People are suffering not only because of the poverty challenges but also the extremism and traditionalism. Educated girls now have to remain home, school girls live with the fear of an uncertain future, human rights activists are hiding fearing death, the employees of previous government live with fear and stress, media activists are being arrested and some individuals are being shot and hanged on the streets.
All Afghans are uncertain of their future and live in fear. Taliban burn down houses and create problems for people. They manipulate the media in their favor and twist the reality.

Women are not allowed to work or educate, no space for them in public places, no right to raise their voices, no system to address and no rights to be referred to as the foundation for humanity. This is what is happening in Afghanistan.

Men, however with challenges, yet have the chance to promote what has been demoted in the past twenty years.
This is how the development is going back to the Stone Age while time moves on.

They attack the educational center in Kabul Afghanistan.
And the result: more than 100 Hazara girls and boys were brutally murdered because of their ethnic identity as Hazara!

Taliban cannot lead the system and cannot help the nation going towards a positive development. No signs of development or foundational initiatives can be found.

The world must not forget Afghanistan!
This is not fair. The people of Afghanistan are burning in the fires of war and destruction for years to build and overnight everything we had, was taken from us. We fought and stood up for years and all our dream were burned overnight.
Afghanistan fought more than any other country and was torn apart. It isn’t fair! Why does no one says anything? Where is the humanity? Million of people were buried alive and died. Why does no one raise their voice?

Despite all the problems that exist in Afghanistan, the german government also decided to deport Afghan people who failed as asylum-seekers, they said those who have no right of residence must leave Germany.

I urge the German government to not forget Afghanistan. Please stop deporting Afghan people and evacuate the people who are in grave danger.

I ask the German government that now it is not the time to wait! We must go forward and save innocent people!“


Rede von Prashant, Internationaler Student

Englische Originalfassung

Deutsch

„Greetings to everyone at the meeting!

I was unable to present myself here today despite strongly wanting to, because of being in Frankfurt for appropriate medical attention which I haven’t been able to easily access in Osnabrück. However, I hope my little speech sufficiently represents me, and who better than Franzi, who has seen a great deal of this personal and institutional struggle himself, and what better a language than German!

In the newspaper ‚The Local Germany‘, an article from 2019 talks about how rents rose by more than 50 % between 2005 and 2018 across nine German cities, and Osnabrück is one of them. The housing market in Osnabrück is a serious, systemic and existential problem that can be solved only with attention from organisations, a proactive network effect from kind people, and with help from wherever can be found.<! I understand that the academic institutions are in no way responsible for the accommodation of students, but there are other organisations that should be paying attention, and one may argue that the educational institutions should try to the best in their capacity, at least on a humanitarian basis, to catalyse help for those most affected, as there exists a socio-economic and cultural hierarchy that makes the perceived effect different.

Granted that even Germans find it tough to find a place in Osnabrück, but there exists a hierarchy of intensity, and those at the bottom of the hierarchy. There are statistics that do point out, though not obviously directly, to the existence of such a hierarchy too.
It appears that available buffer housing from those kind people who would generally try to help out to those in need has also exhausted, given many Ukrainians fleeing from the war have been able to find a home in Osnabrück. This leaves the foreigner student with not much of an option, and forces them to face the harsh private market that capitalises upon the undue market stress.

Added to this, many of these foreigner students are completely alien to the socio-cultural practices of Germany. There’s often a higher chance for a foreigner to face unpleasant experiences with casting, and many of these foreigners come from countries with weaker economies, which further puts them at disadvantage. The most effected group seems to be those foreigners who do not yet understand German, and have a tough time navigating their social space. They have fewer chances of employment in a city like Osnabrück too, compared to more metropolitan places. Yes, there are such people in Osnabrück, who aren’t against learning German but just haven’t been able to, yet.

I have myself been sandwiched by these forces. Thankfully, I have some really great friends who helped me a lot and made it possible for me to be able to pull through, otherwise I might have left my studies already and went back to where I came from. However, as not everyone has such great friends, and as foreigner students are pretty much on their own here,
I appeal for the basic human and existential problems like housing and access to healthcare for foreigner students to be proactively taken up by organisations like Ausländerbehörde [author’s mark: name of the german foreigners office] and Studentenwerk, with support from allied institutions.

Please note that I am not asking for a ‚radical change‘ as I have been often misinterpreted and misrepresented; I seek modest changes which will provide better results. For example, in my opinion, the ‚waiting list‘ mechanism that Studentenwerk uses isn’t really the best possible algorithm and can be modified to produce better results.

It appears that they just have a linear list for every Wohnheim [author’s mark: Wohnheim is the german word for dorm], and they contact people as and when they get a vacancy, depending on which three Wohnheime they applied to, and give them a few days to accept or pass the contract.

However, this ends up being problematic for getting a timely contract for the students. Those who were unable to find a room with Studentenwerk in time and had to find some temporary arrangement are now bound to the contract that applies with their current temporary arrangement; often the notice period is of 3 months or longer. This happened with me too.
Studierendenwerk [author’s mark: Studentenwerk is the particular german word for student services organisations which can be found at every university] must instead use ‚ move-in date range ‚ as a parameter instead of linear wait lists limited to three places. That would work more efficiently. Studentenwerke also ought to be careful and ensure capacity building in the city before considering demolishing or auctioning off existing Wohnheime.

The problem isn’t that there aren’t good people. The problem is the lack of what the sociologist C. Wright Mills called the sociological imagination. And hence I appeal to you and your imagination, dear friends.

In summary, I would like to point out the problems that are faced by a section of the population, because we barely realise that we sometimes end up lacking the imagination for it.
There are foreigner students who do not know German and come from weaker economies, and that no one is thinking about their existential problems. Maybe it is time to make peace with the fact that there are problems we are alien to, and we should let those affected speak, while we listen attentively.

Yours truly,
Prashant Vemuri



Deutsche Zusammenfassung

Herzliche Grüße an alle Teilnehmer*innen der Demo von Prashant!

Prashant kann heute nicht anwesend sein, obwohl er es sehr gerne gewollt hätte. Er ist in Frankfurt in ärztlicher Behandlung, zu der er in Osnabrück keinen Zugang bekommen hat. Ich darf eine Zusammenfassung von seiner Rede vortragen und hab viele der geschilderten Kämpfe begleitend miterlebt:

Prashant hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass der Wohnungsmarkt in Osnabrück ein ernsthaftes, systemisches und existenzielles Problem ist. Die Wohnungssuche lässt sich oft nur mit Hilfe von Organisationen, einem solidarischen Netzwerk von freundlichen Menschen und mit viel Hilfe bewältigen. Zwar ist die Uni nicht für die Unterbringung von Studierenden verantwortlich, aber man kann schon argumentieren, dass Bildungseinrichtungen nach besten Kräften versuchen sollten, zumindest auf humanitärer Basis Hilfe für die am stärksten Betroffenen zu organisieren. Es gibt nämlich eine klare sozioökonomische und kulturelle Hierarchie beim Zugang zum Wohnungsmarkt.

Aktuell scheint auch das Angebot an Notunterkünften erschöpft zu sein, da ja auch viele Ukrainer*innen, die vor dem Krieg geflohen sind, in Osnabrück eine Wohnung finden mussten. Dies lässt den ausländischen Studierenden kaum eine Wahl und zwingt sie, sich dem harten privaten Markt zu stellen, der aus der aktuellen Lage Kapital schlägt.

Prashant berichtet in seiner Rede außerdem davon, dass viele ausländische Studierende mit höherer Wahrscheinlichkeit schlechte Erfahrungen bei WG-Castings machen – und das sie oft aus wirtschaftlich prekäreren Ländern kommen, was sie zusätzlich benachteiligt. Am stärksten betroffen sind Menschen, die noch kein Deutsch verstehen und sich in ihrem sozialen Umfeld nur schwer zurechtfinden. Auch haben sie in einer Stadt wie Osnabrück weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz als in den Ballungszentren.

Prashant selbst steckt schon lange in dieser Situation fest. Zum Glück habe er ein paar wirklich gute Freund*innen, die sehr geholfen haben und es möglich gemacht haben, dass er das Studium durchziehen konnte und nicht längst aufgegeben hat und das Land wieder verlassen hat. Aber nicht alle habe so gute Freund*innen, als ausländischer Studierender sei man hier ziemlich auf sich allein gestellt.

Am Schluss fordert Prashant von der Ausländerbehörde und dem Studierendenwerk viel mehr Unterstützung bei den grundlegenden menschlichen und existenziellen Probleme wie Unterkunft und Zugang zu medizinischer Versorgung für ausländische Studierende. Dabei können schon kleine Änderungen helfen, zum Beispiel beim System der Warteliste des Studierendenwerks. Außerdem sollte das Studierendenwerk auch den Aufbau von Kapazitäten in der Stadt sicherstellen, anstatt oder bestehende Wohnheime zu verkaufen.

Zusammenfassend möchte Prashant einfach auf die Probleme hinweisen, mit denen ein Teil der Bevölkerung tagtäglich konfrontiert ist, denn vielen fehlt dafür die Vorstellungskraft. Vielleicht sei es an der Zeit, sich der Tatsache zu stellen, dass es Probleme gibt, die vielen nicht Betroffenen fremd sind und es ist Zeit die Betroffenen sprechen zu lassen, während wir aufmerksam zuhören.

Danke das ihr hier seid.

Euer Prashant