Liebe Osnabrückerinnen und Osnabrücker,
wir fragen Sie, wie wir in der Friedensstadt Osnabrück gemeinsam leben und einander behandeln wollen?
Gewaltsame Abschiebung am Mittwochmorgen
Die Stadt Osnabrück nennt sich Friedensstadt. Was am Mittwoch frühmorgens passiert ist, passt nicht zu diesem Selbstverständnis:Zwei Personen aus dem Sudan wurdennach der Dublin-III-Regelungabgeschoben. Bei einer der Abschiebungen eskalierte die Situation zwischen Polizei und Abschiebungsgegner*innen. Die Ausländerbehörde und Polizei drangen in die privaten Räume der Gemeinschaftsunterkunft ein, führten Personenkontrollen durch und nahmen den Betroffenen gegen seinen Willen in Gewahrsam. Mehrere Bewohner der Unterkunft protestierten spontan gegen die Abschiebung und alarmierte Bürger*innen schlossen sich dem Protest an. Um die Abschiebung trotz des Protests durchzuführen, ging die Polizei mit körperlicher Gewalt gegen protestierende Bewohner und Bürger*innen vor. Zwei protestierende Geflüchtete wurden von den Beamten mit Pfefferspray angegriffen und mussten von Sanitäter*innen versorgt werden. Die Abschiebung wurde durchgeführt.
Wir sind der Meinung, dass dieses gewaltsame Vorgehen gegen den Willen Betroffener und Verbündeter nicht im Sinne der Friedensstadt Osnabrück sein kann und fragen uns: Wer soll zu unserer Stadt gehören? Und welchen Umgang wollen wir miteinander?
Praktische Umsetzung der Friedenskultur in Osnabrück
Die 37 Dublin-Abschiebungen, die im letzen Jahr verhindert wurden, zeigen, dass sich Geflüchtete sowie Bürger*innen für ein solidarisches Miteinander in Osnabrück und eine Stadt für alle einsetzen. Erst die Bereitschaft von mehreren hundert Personen des Bündnisses gegen Abschiebung, um 4 Uhr morgens bei Kälte und Regen für das Bleiberecht eines Osnabrückers zu protestieren, ist diepraktischeUmsetzung der Friedenskulturin Osnabrück. Dieses Engagement hat sich nicht geändert. Was sich geändert hat, ist die Gesetzeslage und deren Umsetzung durch die Behörden.
Ein großer Protest wie die bisherigen ist deshalb nicht mehr möglich, weil Abschiebungen seit Herbst 2015 nicht mehr angekündigt werden. Deswegen können Verbündete erst alarmiert werden, wenn die Polizei bereits mit der Abschiebung begonnen hat. Damit wird Osnabrücker*innen die Möglichkeit genommen, ihre Meinung zu äußern und ihre Ablehnung der Abschiebepraxis zu signalisieren.
Wer darf protestieren?
Obwohl am Mittwochmorgen mehrere Geflüchtetevor dem Nordhotel protestierten, äußerte die Polizei nach Angaben der NOZ: „Sollten die eintreffenden Behördenvertreter bei einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung tatsächlich auf Boykott- und Protestaktionen treffen, werde ein derartiger Einsatz nach wie vor von der Polizei abgebrochen“. Was soll die lautstarke Äußerung von Ablehnung und die Blockade des Einsatzfahrzeugs der Ausländerbehörde gewesen sein, wenn nicht ein Protest? Wurde nicht Gewalt unter Waffeneinsatz – denn nichts anderes ist Pfefferspray – angewandt, um eben diesen Protest aufzulösen? Oder ist es etwa kein Protest, weil mehrheitlich Menschen ohne deutschen Pass protestierten? Sollten nicht auch Geflüchtete das Recht haben, sich in einer politischen Aktion Ausdruck zu verleihen?
Wie wollen wir hier zusammenleben?
Es ist nicht okay, dass einem Teil der Menschen in unserer Stadt das Recht zu demonstrieren aberkannt wird! Es ist nicht okay, dass die Privatsphäre aller Geflüchteten in der Sammelunterkunft ‚Nordhotel‘ missachtet wird, indem nachts und ohne Vorwarnung in ihre Räume eingedrungen wird!Es ist nicht okay, gegen friedlich Protestierende Gewalt anzuwenden; auch dann nicht, wenn es weniger Menschen sind, die demonstrieren! Es ist nicht okay, dass nun nichts mehr von der humanen Flüchtlingspolitik übrig ist, von der Innenminister Pistorius vor nicht allzu langer Zeit noch sprach!
Liebe Osnabrückerinnen und Osnabrücker, wie wollen wir in unserer Stadt gemeinsam leben? Wollen wir akzeptieren, dass Menschen gewaltsam und gegen ihren Willen aus dieser Stadt abgeschoben werden? Wollen wir Menschen, die in unserer Stadt Schutz suchen, diese Sicherheit verweigern, indem wir sie nach Frankreich schicken, wo sie auf der Straße leben oder nach Afghanistan in den Krieg? Oder wollen wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass Menschen nicht in ständiger Angst um ihre Existenz leben müssen und dafür sorgen, dass die Friedensstadt ihrem Image gerecht wird?
Herr Innenminister Pistorius, Herr Bürgermeister Griesert, Parteien und Mitglieder des Stadtrats der Stadt Osnabrück, Herr Polizeipräsident Witthaut, wie stellen Sie sich eine echte Willkommenskultur in der Friedensstadt Osnabrückmit einer humanen Flüchtlingspolitik vor? Wir fordern Sie auf, sich zu der gewalttätigen Durchsetzung der Abschiebung am Mittwochmorgen in der Hansastraße 31, dem ehemaligen Nordhotel, zu äußern!
Weiterhin für ein friedliches Miteinander!
Über einen SMS-Verteiler/Telefonkette wird Protest gegen Abschiebungen in Osnabrück organisiert.Wer sich am Protest beteiligen und über weitere Abschiebungen informiert werden möchte, kann eine E-Mail mit Handynummeran buendnis_gegen_abschiebungen@mail.de senden.
No Deportations!
Bleiberecht für alle!
Bündnis gegen Abschiebungen, No Lager Osnabrück