Offener Brief von Bewohner_innen des Lagers Hesepe
Wir wollen in Freiheit und Würde leben!
Wir wollen nicht isoliert im Lager in Hesepe leben!
22. September 2011
Wir wenden uns an euch, weil wir die uns aufgezwungenen Lebensbedingungen nicht mehr ertragen. Wir sind Flüchtlinge aus dem Lager Hesepe bei Bramsche. Das Flüchtlingslager in Hesepe liegt im Land Niedersachsen 24 Kilometer entfernt von Osnabrück und 4 km von Hesepe. Die Fahrt nach Osnabrück kostet einfach 5,40 Euro. Das Lager kann bis zu 700 Flüchtlinge aufnehmen.
Das von Stacheldraht umzäunte und vom Sicherheitspersonal bewachte Gelände des Lagers war früher eine Militärkaserne. Auf diesem Gelände leben wir in unterschiedlichen Häusern teilweise mit 6 Personen gemeinsam in einem Zimmer. Das Land Niedersachsen hat mit dem Lager ein totales Isolationssystem aufgebaut. Die Ausländerbehörde, das Sozialamt, eine Krankenstation, ein Kindergarten, Schule für unsere Kinder bis zum Alter von 12, eine zentrale Kantine befinden sich alle im Lager selbst. Wir haben sogar Lagerausweise, die die Lagerverwaltung Bewohnerausweis nennt.
Die meisten von uns sind im laufenden Asylverfahren und teilweise über Jahre hinweg in diesem Lager hinter Stacheldraht abgeschlossen von der Gesellschaft. Wir kommen aus unterschiedlichen Ländern: aus Afghanistan, Elfenbeinküste, Ghana, Irak, Indien, Iran, ehemaliges Jugoslawien, Libanon, Kamerun, aus den Kaukasusregionen des heutigen Russlands, Syrien, Türkei …. Wir haben vieles zurückgelassen in Hoffnung auf Sicherheit und ein Leben in Frieden und Würde. Doch nie dachten wir in solch einem Lager leben zu müssen. Jeden Tag gewinnen wir mehr den Eindruck, dass das Lager dafür aufgebaut ist, uns zu erniedrigen und zu zermürben. Im Lager werden wir wie Tiere behandelt und wir verlieren unsere Menschlichkeit. Wir werden entmündigt und sind fremdbestimmt. Wir werden von Tag zu Tag kränker und schwächer. Manche von uns werden verrückt. Wir sind auf Essen und Schlafen reduziert und all unsere Wünsche und Hoffnungen und die unserer Kinder sterben zwischen Stacheldraht und Sicherheitspersonal.
Uns stehen 40 Euro im Monat zur Verfügung. Manche von uns bekommt dieses Geld jedoch nicht. Einige von uns genießen das „Privileg“ 1-Euro-Jobs machen zu dürfen: Wir machen Reinigungsarbeiten im und außerhalb des Lagers. Einige von uns wurden nach der Schließung des Flüchtlingslagers in Oldenburg zur Räumung eingesetzt, andere heben in Hesepe oder Bramsche Gräber aus. Uns werden einerseits keine Arbeitserlaubnisse erteilt, aber andrerseits müssen wir unsere Arbeitskraft billig verkaufen. Wir wollen arbeiten. Wir brauchen keine Almosen. Wir wollen uns und unsere Familien selbständig ernähren. Die Jungen unter uns wollen lediglich ihre Freiheit. Wir wollen uns frei bewegen können und selbstbestimmt in Freiheit leben. Wir brauchen kein Kantinenessen, wo wir wegen einer Scheibe Brot erniedrigt werden. Oft gehen wir hungrig ins Bett, weil das Abendbrot der Kantine uns nicht bis in die Nacht reicht.
In diesem Lager haben wir gelernt, dass es für alle Beschwerden und Schmerzen der Flüchtlinge nur zwei Heilmittel existieren: Paracetamol und Ibuprofen. Viele von uns haben verschiedene Beschwerden und Schmerzen, die teilweise selbst Folgen des Lagerlebens sind. Wenn wir Fachärztliche Behandlung wollen, erhalten wir erst nach mehrmaligem Verlangen, wenn überhaupt, eine Überweisung. Einige von unseren Brüdern und Schwestern haben in ihren Herkunftsländern oder auf ihrer Flucht schwere Krankheiten oder traumatische Erlebnisse erfahren müssen. Ein Lager ist nicht der richtige Ort für die Heilung dieser psychischen und physischen Krankheiten.
Wir haben mehrmals die Lagerleitung und die vor Ort ansässigen Behörden über unsere Anliegen informiert. Die Leitung des Lagers, Herr Conrad Bramm vermeidet jeglichen Kontakt und entzieht sich den Gesprächen mit uns. Mehrmals forderten wir ihn und das Lagerpersonal auf, unsere Beschwerden ernst zu nehmen. Es geschah nicht, also protestierten wir im Februar. Herr Bramm behauptete anschließend im Nachrichten Kompakt von OS1-TV, dass er überrascht sei und die unsere Wünsche nicht kenne. Die aktiven Freunde und Freundinnen von uns wurden unter Druck gesetzt.
Am 21. September 2011 verloren einige von uns, die seit längerem in Hesepe leben, ihre Arbeitsmöglichkeiten. Wir versuchten Herrn Bramm zu sprechen und auf dieser schlechtbezahlten Arbeit zu bestehen. Doch statt mit uns zu sprechen kam die Polizei. Wir protestierten im Freien und werden weiterhin für unsere Forderungen uns gemeinsam einsetzen. Diese sind:
Transfer der Flüchtlinge in die größeren Städte Niedersachsens in private Wohnungen, die dem Land auch insgesamt weniger Geld kosten und uns ein selbstbestimmtes Leben erlauben.
Aufhebung der Residenzpflicht, damit wir uns nicht wie Gefangene fühlen müssen.
Arbeitserlaubnisse für diejenigen, die arbeiten wollen und können.
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Flüchtlinge aus dem Lager Hesepe bei Bramsche
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