Rede No Lager Osnabrück vom 19.02.2025
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Der Attentäter von Hanau war ein rechtsextremer Rassist.
Die deutschen Behörden handelten rassistisch, wieder einmal. So war der Notruf nicht erreichbar, den Vili Viorel Păun, eines der Opfer, bevor er erschossen wurde, versuchte anzurufen. Die Staatsanwaltschaft urteilte dazu: Es gibt kein „strafbares Fehlverhalten“ und stellte das Verfahren ein. Und Angehörige gaben an, dass sie von den ermittelnden Polizist:innen respektlos behandelt wurden. So erleben People on the Move, Migrant:innen, Flüchtlinge, People of Color unseren Rechtsstaat und unseren Behördenapparat: rassistisch und respektlos.
Ein Recht auf Asyl wird hier nur wenigen gewährt, dafür sind die Hürden dieses Unrechtsstaates zu hoch. Dennoch muss den meisten Flüchtlingen eine Duldung gewährt werden, aus den verschiedensten Gründen. Aber Duldung bedeutet: Leben in Unsicherheit vor einer drohenden Abschiebung, meist verbunden mit der Unsicherheit, seinen oder ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ist derselbe strukturelle Rassismus, den Abschiebebehörden, Behörden und Polizei betreiben.
Bei weltweit über 50 heißen Kriegen, gefüttert auch durch Waffen und Interessen der europäischen Staaten, wird es weiterhin und voraussichtlich immer mehr Menschen geben, die sich in die Migration flüchten müssen. Sie haben Gewalt erfahren, den Tod ihrer Angehörigen miterlebt und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage. Oft müssen sie ihre Heimat überstürzt verlassen, und oft werden Flüchtlinge auf dem häufig langen Weg der Flucht weiter traumatisiert.
In der aufgeheizten Debatte über die sog. „Irreguläre Migration“ (wie kann ein Fluchtweg auch regulär sein?) werden die Augen verschlossen vor der Mitverantwortung Deutschlands für die Instabilität in vielen Ländern. Beispiele wären hier Afghanistan oder Syrien. In diesen Ländern wurden Nato-Soldaten stationiert, ohne dass es eine politische Strategie gab. Es wurden islamistische Kräfte finanziert und damit deren Erstarken ermöglicht, und dann wurden die Länder in Trümmern und Chaos verlassen. Weiterhin werden in diesen Ländern Minderheiten unterdrückt, wie Kurden, Yeziden, Christen oder Armenier z.B., oder auch Frauen, die nun wirklich keine Minderheit sind.
Natürlich sind auch die Attentate von radikalisierten Flüchtlingen grausam und zu verurteilen. Das hat allerdings mit der Forderung nach geschlossenen Grenzen und massenhafter Abschiebung, wie dies nun im aufgeheizten Wahlkampf populistisch gefordert wird, nichts zu tun.
Faktencheck: Es gibt nicht nur einen Messerangriff pro Jahr, und die Täter:innen sind nicht nur Flüchtlinge. Pro Tag gibt es im Durchschnitt 24 Messerangriffe in Deutschland, nicht wenige davon sind rechtsextrem motiviert und richten sich gegen Migrant:innen. Also ist die Fokussierung auf diese wenigen Fälle völlig irrational. Rational wäre, mal zu überlegen, wie psychisch Kranke besser in unserer Gesellschaft behandelt werden könnten. Und natürlich auch, wie Flüchtlinge mit psychischen Handicaps identifiziert und einer Therapie zugeführt werden können, bevor Schlimmstes passiert.
Machen wir uns nichts vor: nach der Wahl wird der Populismus regieren. Struktureller Rassismus der Behörden wird nicht aufgearbeitet werden. Deshalb ist es an uns, weiter gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu kämpfen. Also schreitet ein bei rassistischen Polizeikontrollen, begleitet Flüchtlinge bei Behördengängen, schreitet ein, wenn ihr von einer Abschiebung erfahrt.
Wir bei No Lager, sehen gerade jeden Tag wie dieser Staat die Daumenschrauben anzieht. beinahe Täglich erreichen uns verzweifelte Nachrichten von Menschen, denen die Abschiebung droht, und ihren Angehöringen. Die Entscheidungen werden herzloser, die Praxis brutlaler und die Abschiebeknäste füllen sich. „Im großen Stil abschieben“ ist nicht nur Rethorik sonder grausame Realität geworden.
Noch eine Möglichkeit, dieses System zu untergraben, ist das Soliasyl.
Nicht zuhause zu sein, wenn die Polizei ihre frühmorgendlichen Abschieberazzien durchführt, stellt eine Form des Widerstands dar. Abschiebungen finden immer unangekündigt statt. Darum suchen Menschen, die sich gegen ihre Abschiebung wehren, nach einem sicheren Ort zum Schlafen. Das ist ja wohl das Mindeste, was wir anbieten können.
Gegen den Rassismus der staatlichen Behörden!
Für eine offene Gesellschaft!
Wir gedenken der Opfer von Hanau.
Speech No Lager Osnabrück 19.02.2025 (auto translated)
The assassin of Hanau was an extreme right-wing racist.
The German authorities acted in a racist manner, once again. The emergency number that Vili Viorel Păun, one of the victims, tried to call before he was shot was unavailable. The public prosecutor’s office ruled on this: There is no “punishable misconduct” and discontinued the proceedings. And relatives stated that they were treated disrespectfully by the investigating police officers. This is how people on the move, migrants, refugees and people of color experience our constitutional state and our authorities: racist and disrespectful.
Only a few are granted the right to asylum here, the hurdles of this unjust state are too high. Nevertheless, most refugees must be granted toleration for a variety of reasons.
But toleration means living in uncertainty in the face of imminent deportation, usually combined with the uncertainty of earning a living. This is the same structural racism practiced by deportation authorities, government agencies and the police.
With more than 50 hot wars worldwide, fed by weapons and the interests of European states, there will continue to be more and more people who will have to flee into migration. They have experienced violence, witnessed the death of their loved ones and the destruction of their livelihoods. They often have to leave their homeland in a hurry, and refugees are often further traumatized on the often long journey of flight.
In the heated debate about so-called “irregular migration” (how can an escape route also be regular?), people turn a blind eye to Germany’s shared responsibility for the instability in many countries. Examples include Afghanistan and Syria. NATO soldiers were stationed in these countries without a political strategy. Islamist forces were financed, enabling them to gain strength, and then the countries were left in ruins and chaos. Furthermore, minorities are oppressed in these countries, such as Kurds, Yazidis, Christians or Armenians, for example, or even women, who are not really a minority.
Of course, the attacks by radicalized refugees are also cruel and should be condemned. However, this has nothing to do with the demand for closed borders and mass deportation, as is now being populistically demanded in the heated election campaign.
Fact check: There is not just one knife attack per year, and the perpetrators are not just refugees. On average, there are 24 knife attacks in Germany every day, quite a few of which are motivated by right-wing extremism and are directed against migrants. So focusing on these few cases is completely irrational. It would be rational to consider how mentally ill people could be treated better in our society. And, of course, how refugees with mental disabilities can be identified and given therapy before the worst happens.
Let’s not kid ourselves: populism will rule after the election. Structural racism by the authorities will not be dealt with. It is therefore up to us to continue to fight against racism and right-wing extremism. So intervene in racist police checks, accompany refugees on visits to the authorities, intervene if you hear about a deportation.
At No Lager, we see every day how this state is tightening the thumbscrews. Almost daily we receive desperate messages from people who are threatened with deportation and their relatives. The decisions are becoming more heartless, the practice more brutal and the deportation prisons are filling up. “Deportation on a grand scale” is not just rhetoric but has become a cruel reality.
Another way of undermining this system is the Soliasyl.
Not being at home when the police carry out their early morning deportation raids is a form of resistance. Deportations always take place unannounced. That’s why people who are resisting their deportation are looking for a safe place to sleep. That is the least we can offer.
Against the racism of the state authorities!
For an open society!
In memory of the victims of Hanau