Liebe Freund*innen und Genoss*innen,
danke, dass wir hier heute sprechen dürfen. Wir möchten unseren Redebeitrag vor allem für ein Grußwort der Solidarität und des Dankes nutzen. Wir danken allen Genoss*innen der kurdischen Freiheitsbewegung. 10 Jahre Rojava. Das sind unglaubliche 10 Jahre Kampf. 10 Jahre Kampf für feministische Befreiung, 10 Jahre basisdemokratische, pluralistische Selbstverwaltung, 10 Jahre Widerstand gegen kapitalistische Unterdrückung und Ausbeutung und 10 Jahre Kampf gegen islamistischen Terror. Heute wie in der Vergangenheit sind wir solidarisch mit diesem Kampf für Leben und Freiheit und stehen hier in Osnabrück und überall sonst, Seite an Seite gegen staatliche Kriminalisierung und Repression!
Wir von No Lager Osnabrück sind eine lokale antirassistische Gruppe. Gemeinsam mit Menschen, die aktiv oder passiv von Grenzgewalt, Ausbeutung und rassistischer Abschottungspolitik betroffen sind oder Betroffene unterstützen möchten, organisieren wir uns gegen diesen Status Quo. Wir wollen für selbstbestimmte Bewegungsfreiheit und das gute, befreite Leben für Alle kämpfen. In unserer politischen Praxis aber haben wir sehr häufig das Gefühl, bis zum Hals in zahlreichen Alltagskämpfen zu versinken und dabei kaum den Blick auf unsere politischen Ziele behalten zu können. Die Isolation in den Lagern vereinzelt. Die Entmündigung und der Rassismus durch die Behörden und die Mehrheitsgesellschaft, lässt kaum ein Gefühl politischer Selbstwirksamkeit zu. Wir bewegen uns fortwährend im engen Rahmen des Grenzregimes, das heißt zwischen drohender Abschiebung und Behördenterror, zwischen Klageverfahren und prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen, zwischen Gewalt durch Lagersecurities und Vermittlung von Anwält*innen und psychotherapeutischer Beratung. Erfolgsmomente sind dabei selten und stehen häufig im Schatten der zunehmenden repressiven Praxis. Immer wieder müssen wir uns daran erinnern, dass auch all diese Alltagskämpfe, diese oft wenig konfrontativen, wenig sichtbaren Widerstände politisch sind – nicht nur der laute Protest auf der Straße.
Dazu kommt, dass die Zusammensetzung unserer Gruppe konstant in Bewegung ist, da mindestens die Hälfte der Menschen in unseren Plena nach kurzer Zeit durch Transfers oder Abschiebungen vom Staat gezwungen wird, wieder woanders zu leben. Bei all dem geht immer wieder unter, dass es uns eigentlich nicht nur darum geht, dass Menschen kommen und bleiben können, sondern eben um ein gutes, selbstbestimmtes und befreites Leben für alle Menschen! Und, dass der Kampf dafür zwangsläufig feministisch, antikapitalistisch und antirassistisch sein muss. Die kurdische Freiheitsbewegung und 10 Jahre Rojava helfen uns, über diese Alltagskämpfe hinauszudenken! Gleichzeitig helfen sie uns auch dabei diese Alltagskämpfe und besonders Sorgearbeit anders zu denken, zu politisieren und zu reflektieren. Dies ist wichtig, denn auch wenn diese in der Arbeit vieler Gruppen und Kollektiven eine wesentliche Rolle spielen, darf die Utopie einer anderen, einer besseren Welt für alle Menschen darüber nicht verloren gehen. Die kurdische Freiheitsbewegung, aber auch die zapatistischen Bewegungen in Chiapas, bieten uns und Menschen auf der ganzen Welt eine Perspektive, einen Ausblick auf eine gelebte und erkämpfte Praxis der feministischen, antikapitalistischen Befreiung! Sie zeigen, was bereits möglich ist und möglich sein kann.
Wir freuen uns, in Zukunft näher zusammenzurücken und uns zu vernetzen!
Lasst uns unsere Kämpfe gemeinsam denken und als Bewegung weiter wachsen.
Jin Jiyan Azadi!