Triggerwarnung: In dieser Pressemitteilung wird physische, psychische und sexualisierte Gewalt thematisiert
Die Roma-Familie A. durchlitt in ihrem Heimatland Nordmazedonien massive rassistisch motivierte Gewalt und institutionelle Diskriminierung. Rassistisch motivierte Täter misshandelten im Sommer letzten Jahres die Frau und die Kinder. Sie versuchten, die Frau zu vergewaltigen, was die Nachbar_innen verhindert konnten.
Die Familie wendete sich nach dem Angriff an die Polizei. Doch nichts geschah! Es gehört zu den gängigen Praxen institutioneller Diskriminierung, dass Anzeigen von Roma nicht Ernst genommen werden oder dass sie als selbst schuld dargestellt werden. In diesem Fall ist sogar davon auszugehen, dass die Polizei mit den Tätern kooperierte, einer der Angreifer ist ein Angehöriger eines örtlichen Polizisten.
Zehn Tage später zündeten die gleichen Personen, die Frau A. und ihre Kinder misshandelt hatten, das Haus der Familie an. Auch diesmal unterstützte weder die Polizei noch die Stadt die obdachlos gewordene Familie.
„Wenn wir zurückmüssen, sind wir obdachlos und ohne Hilfe. Einfach zum Sterben verurteilt,“ betont der Vater der Familie mit Tränen in den Augen.
Die Ausländerbehörde in Osnabrück hat trotz allem entschieden, der Familie keinen Schutz zu gewähren. Auch das Verwaltungsgericht hat entschieden, die laufende Klage gegen den negativen Bescheid zum Asylfolgeantragnicht abzuwarten. Der Eilantrag auf aufschiebende Wirkung der Klage wurde abgelehnt. Dies bedeutet, dass die Familie einfach abgeschoben werden kann – jederzeit! Trotz kleiner Kinder, Traumatisierung der ganzen Familie und Schulbesuch.
Das Gericht sieht die erfahrene Gewalt nicht als rassistisch motiviert, sondern als kriminelles Unrecht an. Das was geschehen ist, sei ein Einzelschicksal und stehe nicht in Verbindung mit kumulativer und struktureller Diskriminierung gegen Roma. Das Gericht behauptet außerdem, dass Roma von staatlichen Behörden in Nordmazedonien geschützt und unterstützt werden und folgt damit der gravierenden politischen Fehleinschätzung, die Westbalkanstaaten als „sichere Herkunftsstaaten“ einzustufen.
Zu behaupten, dass es keine „Anhaltspunkte“ gebe, dass staatliche Behörden bei ihrer Schutzfunktion versagten, widerspricht unserer langjährigen Erfahrung, den glaubwürdigen Berichten unzähliger betroffener Personen und wissenschaftlichen Untersuchungen. So hat zum Beispiel die Unabhängige Kommission Antiziganismus in ihrem 2021 veröffentlichen Bericht eindringlich auf die Diskriminierungslage in den Balkanstaaten hingewiesen und stützt damit einmal mehr, was wir immer wieder erleben: Für Roma gibt es keine sicheren Herkunftsstaaten.
Das Leid der Familie steht repräsentativ für die Lebensrealität von hunderttausenden Roma in den Balkanstaaten. Die Augen vor dieser institutionellen, zivilgesellschaftlichen und strukturellen Diskriminierung zu verschließen und die Familie ohne Skrupel dorthin abzuschieben, verharmlost die Situation der Roma derart, dass es in unseren Augen eine klar zu verurteilende Form der Diskriminierung darstellt. Die Leugnung von Rassismus und institutioneller Diskriminierung gegen Roma als Grund der Attacke gegen die Familie A. offenbart zusätzlich in beschämender Weise eine mangelnde politische wie historische Sensibilität. Gerade in Osnabrück, der selbsternannten Friedensstadt, ist jene Verharmlosung rassistischer Gewalt, mitsamt der geplanten Abschiebung in lebensbedrohliche Verhältnisse, ein inakzeptabler Vorgang, der klar zu verurteilen ist.
Im Hinblick auf die historische – schließlich ermordeten die Nationalsozialisten in einem systematisch geplanten Völkermord hunderttausende Roma und Sinti –und humanitäre Verantwortung gegenüber diesen Menschen, fordern wir ein Bleiberecht für die Familie und ein Umdenken der politischen Orientierung: Beendet das Märchen von den „sicheren Herkunftsstaaten“ – es riskiert Menschenleben!
Wir fordern ein Bleiberecht für Familie A.!
Roma Center e.V./ Roma Antidiscrimination Network
No Lager Osnabrück
Refugium Flüchtlingshilfe e:V.