Redebeitrag Demo "Gesundheit für Alle" am 29.01.2022

Moin,

an diesem Tag finden wir uns zusammen, um gemeinsam eine strukturelle Kritik
am deutschen Gesundheitssystem zu üben und dies in den aktuellen Kontext zur
Covid-19 Pandemie zu setzen. Als NoLager Osnabrück, eine Gruppe von
Geflüchteten und Supporter*innen, wollen wir vor allem auf die Situation für die
Geflüchteten hier in und um Osnabrück eingehen. Auf uns wirkt es so, als ob sich in diesem Bereich, wie auch für andere prekarisierte Menschen die Situation potenziert. Egal, ob es um gedrängte, menschenunwürdige Unterbringungsmöglichkeiten, um fehlende Masken oder
Angst vor Impfungen geht.

Fangen wir mit den Impfungen an: viele Menschen erzählen uns, dass sie Angst haben, sich impfen zu lassen, weil dann Abschiebungen in ihre Herkunftsländer, in Drittländer oder auch Rückführungen in Dublin-Länder vereinfacht würden. Es kann doch nicht sein, dass impfwillige Menschen ihre Gesundheit und die von anderen Menschen riskieren müssen, weil sie Angst vor dem deutschen Staat, der EU-Asyl- und Migrationspolitik haben! Zusätzlich wird den Menschen ein Covid-19 Test unter physischem Zwang angedroht, wenn sie bei dessen Durchführung und dementsprechend ihrer Abschiebung nicht kooperieren wollen.

Des Weiteren werden in den Landesaufnahmebehörden Menschen teilweise während der Quarantäne in sogenannte eingezäunte „Quarantänestationen“ gesteckt, in denen sich häufig nicht-infizierte Menschen durch den Kontakt mit den positiv-getesteten anstecken. Für uns hat es den Anschein, dass viele dieser Maßnahmen dazu dienen, Abschiebungen zu vereinfachen. Dies deckt sich auch mit Berichten von Geflüchteten, die zum Beispiel aus der Quarantäne heraus abgeschoben wurden. Außerdem werden die Menschen vor allem in den zentralen
Landesaufnahmebehörden immer noch in beengten Räumlichkeiten untergebracht – selbst bei 50% Auslastung ist es einfach zu dicht gedrängt. Gerade die Covid-19 Pandemie ist doch ein weiterer Grund dafür, Menschen dezentral unterzubringen, nicht nur um die  Ansteckungsgefahren zu minimieren, sondern auch, um ihn ein besseres, angenehmeres Leben zu ermöglichen.

Alle  Menschen sind froh darüber, wenn sie in einer eigenen Wohnung wohnen
können und Privatsphäre haben, insbesonders dann wenn sie von Traumata aus
ihren Herkunftsländern und von der Flucht belastet sind. Sowohl Familien mit
Kindern, als auch Alleinstehende haben so einen sicheren Raum, aber eben auch
die Möglichkeit, sich einzuleben, zur Schule zu gehen, zu arbeiten, am Sozial- und
Vereinsleben, eben an der Gesellschaft zu partizipieren.

Zusätzlich ist insbesondere der Zugang zur medizinischen Versorgung für
Geflüchtete unglaublich schwierig. Je nach asyl- oder aufenthaltsrechtlichem
Status muss man sich bei der Ausländerbehörde erst einen Wisch abholen, der
quasi die Krankenversicherungskarte ersetzt. Dieser muss zur Abrechnung bei
den Ärzt*innen vorgezeigt werden. Ob man den Wisch erhält, hängt natürlich
auch vom Gutdünken der Person hinter dem Schalter in der Ausländerbehörde
ab und insbesondere die Zustellung kann auch einige Tage dauern, was natürlich
bei dringenden Erkrankungen ziemlich kacke ist. Gerade für illegalisierte Personen – also Menschen ohne legalen Aufenthalt – ist der Zugang zu medizinischer Versorgung ohne Krankenversicherungskarte oder die Möglichkeit, sich einen Wisch bei der Ausländerbehörde abzuholen, noch schwieriger. Wie sollen diese Menschen Zugang zum Krankensystem
bekommen? Ein Grundrecht, welches sowieso schon wichtig ist und in diesem
Fall nicht ausgeübt werden kann und welches mit den Gefahren von Covid-19
nochmal wichtiger geworden ist. Zum Glück gibt es in Osnabrück ein mal die
Woche die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung, die nicht
nach einer Karte oder nach Personalien fragt. Aber auch von dieser Option
müssen Menschen natürlich erstmal wissen.

Man hätte sich ja auch mal ein Beispiel an Portugal nehmen können: dort wurden
die Abschiebungen erstmal ausgesetzt und Ausländer*innen haben erstmal
automatisch eine Aufenthaltserlaubnis und Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen bekommen. Portugal ist damals mit einem guten Beispiel vorangegangen und hat gezeigt, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben sollten und dass es auch realisierbar ist, der kompletten Bevölkerung Zugang zur Sozial- und Krankenversicherung zu geben, wenn der Staat nur will.

Ein weiterer Punkt ist, dass in den minimalen Zuwendungen, wenn es sie überhaupt gibt, kein Geld für teure FFP2-Masken drin ist. An vielen Orten gilt die FFP2-Masken-Pflicht, die ja auch sehr sinnvoll ist. Es muss dann aber auch der Zugang zu FFP2-Masken für alle Menschen möglich gemacht werden. Die Covid-19 Pandemie zeigt immer wieder von Neuem, dass vor allem prekarisierte Menschen – also Geflüchtete, obdachlose Menschen, alleinerziehende
Elternteile, Menschen die Sozialleistungen empfangen – weniger die Möglichkeit haben, sich zu schützen. Und in diesem Kontext bedeutet das auch, dass wenn man sich keine oder nur wenige FFP2-Masken leisten kann, man weniger geschützt ist – zum Beispiel, weil man sie nicht regelmäßig wechseln kann. Genauso mit der 3G-Regelung im öffentlichen Nahverkehr. Dass sich manche nicht so einfach impfen lassen können habe ich ja schon angesprochen. Aber wie
sollst du an einen Testnachweis kommen oder das negative Testergebnis
vorzeigen, wenn du keine Papiere hast, die deine Identität belegen? Bei all diesen Maßnahmen wurden viele Menschen nicht mitbedacht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Staat hier katastrophal und
menschenverachtend handelt und durch seine Politiken prekarisierte Menschen
in Deutschland noch weiter marginalisiert. Deswegen schließen wir uns den Forderungen des Bündnisses an.

Wir fordern:

– Solidarität mit dem Gesundheitspersonal. Erfüllung ihrer Forderungen. Höhere
Löhne und bessere Arbeitsbedingungen!
– Entprivatisierung des Gesundheitssystems!
– Einschränkung aller nicht dringlichen und aufschiebbaren Arbeiten bei voller
Lohnfortzahlung! Keine Aussperrungen und Entlassungen! Hygienische und
sichere Arbeitsplätze!
– Sichere Unterkunft und gute medizinische Versorgung für alle Menschen!
Insbesondere für Geflüchtete, Obdachlose sowie für Frauen, die zu Hause von
(männlicher) Gewalt betroffen sind!
– Impfstoffe für alle – gebt die Patente frei!
– Kostenlose FFP2-Masken und kostenlose PCR-Tests für alle!
– Aussetzung aller HartzIV-Sanktionen, Abschiebungen und Zwangsräumungen,
um Menschen nicht in zusätzliche Notlagen zu bringen!