„Ganz schlechte Bleibe-Perspektive“
Proteste in Bramsche: Wo Asylpolitik ein Gesicht bekommt
Bramsche. Ein trüber Montagmorgen. Vor den Toren der Landesaufnahmebehörde (LAB) in Bramsche-Hesepe, zentrale Unterbringung für Asylbewerber, haben sich rund 15 Bewohner versammelt. Die Liste ihrer Kritik an der Situation in der Unterkunft ist lang. So lang wie die Liste der Argumente, die Conrad Bramm, Leiter der Einrichtung, zur Entkräftung der Kritik anführt.
10 Uhr: So kommt der Protest vor den LAB-Toren noch nicht in Gang. Dabei wird er erwartet. Von der Presse, die von Mitgliedern der „No Lager“-Gruppierung informiert wurde, und nicht zuletzt von Angehörigen dieses Netzwerkes selbst. „No Lager“ lehnt die zentrale Unterbringung von Asylbewerbern im Grundsatz ab.
Auch die Polizei weiß von der Aktion am „Lager“, wie die Unterbringung in Hesepe im Alltags-Sprachgebrauch genannt wird. Mit einem Zivilfahrzeug beziehen Beamte Stellung jenseits des Zauns, während der Protest draußen stattfindet. Fremde haben keinen Zutritt zur Gemeinschaftsunterkunft, während die Bewohner das Gelände jederzeit verlassen können.
„Man hat sie nicht herausgelassen unter dem Vorwand, das Tor sei kaputt“, sagt hingegen ein junger Mann aus dem Kreis der Unterstützer. „Völliger Unsinn“, entgegnet Behörden-Leiter Conrad Bramm auf unsere Anfrage. War das Tor zu oder nicht? Jetzt ist es jedenfalls auf, und einige Asylbewerber, vorwiegend junge Männer und Frauen mit Kindern, befinden sich draußen. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern, die Verpflegung, die medizinische Versorgung und die Situation für Kinder werden heftig kritisiert. Eine junge Frau berichtet, sie sei bereits seit sieben Jahren hier. Aus dem Nord-Kaukasus stamme sie. In Deutschland zu bleiben ist ihr Wunsch, den sie mit allen, die hier sind, gemeinsam hat. So wie alle das Schicksal teilen, eine „ganz schlechte Bleibe-Perspektive“ zu haben, wie Bramm es ausdrückt.
Im Klartext: In der Unterkunft sind Menschen untergebracht, deren Asylverfahren mit ungünstiger Prognose noch läuft oder die bereits nach dem Asylgesetz abgelehnt wurden. Um Abschiebungen zu vermeiden, setzt man hier auf sogenannte freiwillige Rückkehr, die unter anderem mit finanzieller Starthilfe verbunden ist.
Energisch weist Bramm Kritik an der Beschulung von Kindern in der Einrichtung zurück. Nach einem Sprachtest werde entschieden, ob die Kinder, von denen manche im Alter von zwölf Jahren noch keine Schule von innen gesehen hätten, in eine Bramscher Regelschule geschickt oder durch Lehrer dieser Schulen in der Einrichtung unterrichtet würden. Das Konzept sei sehr erfolgreich.
Als „haltlose Unterstellung“ bezeichnet der Einrichtungsleiter den Vorwurf, den eine junge Frau vor der Tür erhebt: Ein Arztbesuch sei nur gestattet worden, wenn sie verspreche, nicht an der Demonstration teilzunehmen. Zur Aktion vor der Tür hat Bramm eine eigene Meinung. Oft höre er von Asylbewerbern, dass sie von Menschen von außen angesprochen und zum Protest aufgefordert würden. „Die werden regelrecht instrumentalisiert“, beklagt er. Vor der Tür wird unterdessen weiter diskutiert. Der Ton ist freundlich – auf allen Seiten. Ein Pförtner und ein Asylbewerber stoßen sich gegenseitig im Spaß in die Seite: „Wir beide haben kein Problem miteinander“, sagt der Pförtner und erntet Zustimmung.
Irgendwie symptomatisch: Nicht Probleme zwischen den unmittelbar beteiligten Personen haben die Menschen in Hesepe an diesem trüben Montagmorgen vor die Tore getrieben. Dennoch bleiben die sehnsüchtigen Wünsche der einen und das, was die anderen beruflich zu vertreten haben, unvereinbar am Ort, an dem Asylpolitik ein Gesicht bekommt.
Julia Kuhlmann 14. März 2011 17:14 Uhr Neue Osnabrücker Zeitung